Donnerstag, 12. November 2015

11. November, die Veteranen gedenken

Vor hundert Jahren ist der Tod in die provenzalischen Dörfer geschlichen, und dort sind seine Spuren bis heute zu sehen. Weit mehr als eine Millionen Gefallene hatte Frankreich im Ersten Weltkrieg zu beklagen. Und auch die Städte und noch die letzten Dörfchen im Midi – in jeder Hinsicht weit von Front und Feind entfernt – haben zwischen 1914 und 1918 einen schrecklichen Blutzoll entrichtet. Seither ehrt auf fast jedem Friedhof hier ein Monument – mal pathetisch (umstellt von Granatenhülsen und Reliefs), mal schlicht (ein Kreuz, ein Stein) – die Opfer. Und noch heute überläuft jeden Besucher ein Schauder, wenn er liest, wie viele Namen selbst in winzigen Gemeinden dort verewigt worden sind.

An jedem 11. November, dem Tag des Waffenstillstands 1918, gedenken Veteranen, Bürgermeister, Offiziere, Honoratioren und ziemlich normale Bürger der Toten. Bei uns sind es an diesem Novembermorgen mit Maitemperaturen und einem azurblauen Himmel drei medaillenbehangene ältere Herren, die schwer an ihren Fahnenstangen mit der Trikolore tragen – ehemalige Soldaten, die den Zweiten Weltkrieg oder einen der bitteren Kolonialkriege überlebt haben, die poilus des Ersten Weltkrieges haben ihren letzten Kampf längst ausgekämpft. Die Männer gehen vom Rathaus den Hang zum Friedhof hinunter, gefolgt vom Bürgermeister in der rot-weiß-blauen Schärpe, von etwa dreißig Bürgern und zehn Kindern, die Grundschullehrerin führt zwei Eleven an der Hand.
Nur die Herren Offiziere sind nirgendwo zu sehen. Allüberall finden nämlich die Gedenkfeiern um 11.00 Uhr statt, bloß in unserem Städtchen marschiert die Delegation ausnahmsweise bereits um 10.00 Uhr auf – damit die Veteranen anschließend zu den Gedenkfeiern der größeren Nachbargemeinden eilen und auch dort strammstehen können. Diese Terminänderung ist offenbar jedoch weder zur Base Aérienne mit ihren Luftwaffenoffizieren, noch zur nächstgelegenen Gendarmeriestation durchgedrungen.
Denn halt ohne Profis in Uniform: Aus einem silber-orangefarbenen CD-Player, den jemand auf einen Grabpfosten gestellt hat, scheppert militärischer Trommelwirbel, die Trikoloren senken sich. Gedenkminute. Die Marseillaise aus dünnen Kinderstimmen weht über die Gräber. Zwei kurze Reden. Die Sprecher erinnern an die Toten – und daran, dass Frankreich auch in dieser Minute wieder Kriege führt, in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten und manchmal mitten in den Herzen der eigenen Städte.

Später, die meisten Gäste der Zeremonie sind schon davonspaziert, sehen meine Tochter und ich uns das Monument noch genauer an: Ein pfeilerförmiger, reliefgeschmückter Stein unter einem Kreuz , darum schmiedeeiserne Ketten, sehr schlicht und schon ziemlich verwittert. In Marmorplatten an den Steinseiten sind die Namen der Toten gegraben, ihr Alter, der Tag ihres Endes: Männer in ihren zwanziger und dreißiger Lebensjahren, als der Schnitter sie holte. Männer, die Namen tragen, die heute noch jedes zweite Klingelschild im Dorf schmücken. Einen hat der Tod schon wenige Wochen nach Kriegsausbruch ereilt, hinter dem letzten Opfer steht das Sterbedatum 30. November 1918. Neunzehn Tage nach dem Waffenstillstand – ist er seinen Verletzungen erst dann erlegen? Oder hat ihn, während er noch in der Truppe diente, die Spanische Grippe dahingerafft? Die Inschrift verrät es nicht.
Manche Familien haben ihren Männern zusätzlich emaillierte Metallplaketten an das Monument geheftet: Memento mori, vom Rost angefressen, das Email rissig, die Farben von Sonne und Regen ausgebleicht, die aufgezogenen Sepiafotos verblasst. Wir sehen genauer hin und stutzen: Charles Soma ist, dreiundzwanzigjährig, 1915 auf dem Feld geblieben. Am 10. März, so steht es in der offiziellen Liste. Am 17. März, so verkündet es die Emailletafel seiner Familie.
Emilien Callimand, der nur fünfundzwanzig Jahre alt wurde, ist schon 1914 gestorben. Doch ob er am 9. Oktober fiel, wie es in der Liste steht? Oder erst am 18. Dezember, wie es seine Hinterbliebenen bekunden?


Wir sprechen den Bürgermeister an, der ziemlich verblüfft ist, denn diese unterschiedlichen Daten sind, zumindest in den letzten Jahrzehnten, niemandem je aufgefallen. Wir rätseln gemeinsam: Womöglich verrät die offizielle Liste das tatsächliche Todesdatum, die Familien haben dies jedoch erst Tage (oder Monate) später erfahren? Oder ist dann erst der Körper geborgen und damit das Hinscheiden gewissermaßen formalisiert worden?
Werden die Somas und Callimands in den Tagen und Monaten zwischen den fatalen Daten ahnungslos gewesen sein? Werden sie ihren Söhnen, Brüdern, Männern noch Briefe geschrieben haben, während die doch schon längst im Erdreich erkaltet waren? Oder haben die Familien doch schon etwas geahnt, sind sie durch eine Art Niemandsland zwischen zwei Todesdaten gewandert, trauernd schon und doch noch nicht ganz todesgewiss?

In die Marmortafeln sind später übrigens noch mehr Namen graviert worden. Ein Soldat, der in den Zwanziger Jahren gestorben ist, vielleicht in einem frühen Kolonialkrieg. Die (glücklicherweise wenigen) Toten aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Algerienkonflikt. Und es gibt noch Platz dort, auf dem Monument unter dem blauen Himmel. Platz für die Toten von Frankreichs nächsten Kriegen.



Montag, 28. September 2015

Nemrods, die Jäger der Provence

Nemrods werden die Jäger hier in der Zeitung genannt, doch wie heidnische Gestalten sehen die Waidmänner eher nicht aus. Wenn ein chasseur unter mediterranen Eichen und Gestrüpp herumschleicht, dann meist so: Hohe Stiefel, gerne aus Gummi. Tarnhose und Tarnhemd. Weste. Käppi. Schnauzbart. Doppelläufige Schrotflinte. Viele, viele Patronen. Dazu eine leere Jagdtasche, denn meistens schießt er bloß Löcher in die Luft.
Im September, wenn die Kinder wieder in die Schule gehen müssen, dürfen die Jäger endlich auch Frankreichs weite Natur unsicher machen. Da rollen sie im Morgengrauen (bekommt eine ganz neue Bedeutung, dieses Wort, irgendwie) mit ihren Kangoos auf Parkplätze im Garrigue oder halten irgendwo am Straßenrand. Dann stolzieren sie mit Flinte und Hund durch den Fenchel und weit hallen ihre Schüsse durchs Tal – Schüsse, ja, meist wird der Doppelläufer zweimal gefeuert, denn, siehe oben, die Schrotkugeln schlagen irgendwo ein, nur nicht in das Tier im Visier.
Ab etwa zehn Uhr morgens hocken sie dann in den Bars der Dörfer und sehen in ihren Tarnanzügen aus wie schmerbäuchige Elitekämpfer, die sich der Roten Armee entgegengeworfen haben. Oder eher wie Résistance-Recken, die ein halbes Jahrhundert zu spät gekommen sind und statt auf Wehrmachtssoldaten nun auf Kaninchen ballern.
Extrem verschreckte Kaninchen übrigens, und nicht bloß wegen der Jäger. Denn in Frankreichs Gestrüpp wimmelt es nicht gar so zahlreich, wie es denn nötig wäre, um die Jäger glücklich zu machen. Außerdem haben echte Wildtiere einen nicht zu unterschätzenden Nachteil: sie sind schnell. Und, siehe oben, der Waidmann schielt. Alors?
Also werden kurz vor der Eröffnung der Jagdsaison von praktisch jeder lokalen Jägervereinigung Kaninchen und Fasane und Rebhühner freigelassen. Die sind Monate lang in Gefangenschaft aufgewachsen – und eilen in der Natur nun völlig desorientiert durch die Gegend. Man kann es als Radfahrer oder Jogger ab Ende August sehen: doofe Hühner, ratlose Langohren, leichte Ziele, eigentlich. Zahllose Opfertiere werden bereits in den ersten Tagen von Autofahrern auf den routes Départementales erlegt. Und trotzdem – siehe oben.
Es gäbe auch echte, sogar gefährliche Tiere hier: Wildschweine. Wir haben eine reichlich selbstbewusste Rotte im Tal. Aber, hey, dafür brauchst Du eine Sondererlaubnis des Präfekten, Du brauchst Gewehre mit anderen Patronen, Du brauchst eine größere Gruppe, um die Jagd zu organisieren, nämlich Treiber und Schützen. Also ist im Tal, meines Wissens, kein einziger Keiler erlegt worden in den letzten Jahren. Da ballert man lieber auf Kaninchen und Federvieh und hinterlässt auf den Wanderwegen Hunderte leergeschossene bunte Plastikhülsen.
Ist es dann nicht gefährlich, als Wanderer durch die Natur zu schweifen? Gar mit Hund? Oder, größter anzunehmender Unfall, mit Kindern? Mais oui. Die Jäger sehen Kinder gar nicht gern, zumindest so lange sie nicht auch bewaffnet sind. Selbst am Mittwochnachmittag, wenn die Kleinen schulfrei haben, und auch am Wochenende wird geschossen, dass Feldmarschall Rommel seine Freude hätte. Der schüchterne Einwand, dass man doch wenigstens dann, wenn die Kinder frei haben, einen schusssicheren Tag einführen könnte – in manchen Gemeinden längst Usus -, wird vom Bürgermeister mit der Androhung eines Herzinfarktes beantwortet. Les chasseurs! Sich mit denen anzulegen, das bedeutet quasi lokalpolitischen Selbstmord zu begehen. Es sind gar nicht so viele und sie gehen sehr vielen Leuten auf den Senkel, aber sie sind halt laut und gut organisiert.
Was hilft? Courage. Ich bin während der ersten Jagdsaison nicht im Wald gejoggt, sondern am Rand der Landstraße. Das war, erstens, noch gefährlicher (Autofahrer zielen besser als Jäger.) und, zweitens, feige. Seither laufe ich durch den Wald, wann es mir gefällt. Und siehe, der Herr ist mit den Waldläufern: Immer mehr Familien, Radlergruppen, Wanderer und Jogger stolzieren durch das Grün, längst nicht so desorientiert wie die Karnickel, sondern fröhlich und, vor allem, laut...
Verboten ist das nicht, das Land ist öffentlich. Kein Waidmann darf einen vom Weg scheuchen, sie mustern einen nur hin und wieder unfroh. Langsam, habe ich den Eindruck (oder ich bilde mir das auch bloß ein), kehrt Frieden ein in Frankreichs Auen. In diesem Herbst hat sich das Wochenende der Saisoneröffnung zum ersten Mal nicht mehr angehört wie Stalingrad, sondern bloß noch wie Tombstone. Das mag aber auch damit zu tun haben, dass es geregnet hat. Und bei Regen wird in Südfrankreich nicht geschossen, da geht es direkt in die Bar.
Wird nun alles gut? Tja. Der Nemrod hier pflegt noch eine zweite Passion: ein Schuss – ein Pastis, ein Schuss – ein Pastis. Will sagen: Bei Sonnenuntergang sind viele Tierschläger ziemlich besoffen. Manche wanken dann noch einmal in den Wald, denn in der Dämmerung kommen ja, wie jedermann weiß, die Wildtiere aus ihrer Deckung. Und manche wanken in ihre Kangoos und brausen davon.
Bei der Firma meines Schwagers ist mal ein sinnlos betrunkener Jäger ungebremst durch das Tor geknallt, weil er die Kurve vor der Zufahrt nicht gesehen hatte. Er hat es überlebt, alle anderen auch, obwohl Benzin und Munition im Auto waren.

Und die Firma war die Pumpstation einer Ölpipeline.

Donnerstag, 20. August 2015

Das Klavierfestival von La Roque-d'Anthéron

Die Nocturnes von Chopin klingen gut, ganz besonders, wenn Marie-Catherine Girod sie spielt und erst recht, wenn dazu Gewittergrollen über den Himmel rollt. Willkommen in La Roque-d'Anthéron!


Das Städtchen im Lubéron mit dem Namen, der aus einem französischen Mittelalter-Roman entlehnt sein könnte, spielt im Reigen der allsommerlichen provenzalischen Kulturfestivals eine herausragende Rolle. Vor ungefähr vier Jahrzehnten sind bei uns im Süden die ersten Besessenen, Fanatiker, Sammler, Aktivisten und sonstige Begeisterte, die nicht in Kosten-Nutzen-Kategorien denken, auf die Idee gekommen, im langen Sommer des Midi Fotos rund um eine antike römische Arena aufzuhängen. Oder Kammermusik in einer mittelalterlichen Burg zu geben. Oder Dichter auf einen Marktplatz zu locken. Oder Opernsänger in einem antiken Theater gegen den Mistral anschmettern zu lassen.
Die Organisatoren vieler Festivals sind so gut und die Provence ist so schön, dass Einheimische wie Besucher seit vielen Sommern nun schon die herausragendsten zeitgenössischen Künstler fast jeder erdenklichen Richtung quasi vor der Haustür bewundern können. Manche Veranstaltungen sind teuer, die Karten sind nach wenigen Minuten ausverkauft. Andere sind gratis und für jedermann zu bestaunen. Ich bin immer noch fassungslos, dass man hier selbst im hinterletzten Kaff unversehens über leibhaftige Meister und höchst greifbare Meisterwerke stolpert, die ich sonst bloß vom Hörensagen kenne.

Les Rencontres de la photographie in Arles etwa, der Prototyp der provenzalischen Kulturfestivals, vereinigt seit vier Jahrzehnten Fotografenlegenden, Bildredakteure, Kuratoren, Sammler und alle Lichtbildliebhaber auf Tage, wenn nicht Wochen in einer Stadt mit zwei Dritteln der Einwohnerzahl von Norderstedt. Mais oui: Arles – gut 52 000 Bürger. Norderstedt – gut 75 000. Die Rencontres de la photographie in Norderstedt? Der Gedanke zaubert einem ein Lächeln ins Gesicht.

La Roque-d'Anthéron ist ein Städtchen, das wahrscheinlich im 11. Jahrhundert gegründet worden ist und sich dadurch auszeichnete, dass hier 900 Jahre lang so gut wie nichts geschah. Doch 1980 beschlossen Paul Onoratini und René Martin, ein Klavierfestival zu organisieren. Seit 35 Jahren gelingt es dem Dorf tatsächlich, die besten und wirklich die besten Pianisten der Welt anzulocken. Monsieur Martin ist noch immer künstlerischer Leiter der Veranstaltung und, so steht zu vermuten, inzwischen der vielleicht am besten vernetzte Kulturmanager der internationalen Tastenszene.



Das Festival ist nicht bloß jeden Juli und August ein musikalisches Epizentrum der Provence, es ist längst ein Kristallisationspunkt geworden, um den sich Wirtschaftskraft und Jobs anlagern – und der auch Bürger anzieht: 1793, als die erste aussagekräftige Erhebung gemacht worden ist, lebten 1228 Menschen in La Roque-d'Anthéron. (Im Mittelalter waren es vermutlich auch nicht mehr.) 1962 war die Zahl auf 1415 gestiegen, und man liegt wohl nicht falsch zu behaupten, dass der Ort alle Zeiten und Epochenbrüche verschlafen hatte. Und heute? Mehr als 5400 Einwohner, Tendenz steigend. Eine, grob gerechnet, Vervierfachung binnen einer Generation, die erste Bevölkerungsexplosion, die dieses Städtchen in 1000 Jahren erlebt hat...
Selbstverständlich hat das auch andere Ursachen: Der Midi ist schön, Aix-en-Provence ist nahe. Trotzdem dürften es vor allem die Pianisten gewesen sein, die La Roque-d'Anthéron erst auf die Landkarte gehievt haben.

Die Musiker kommen gerne, es ehrt sie, eingeladen zu werden – und wo sonst spielen sie unter den Schatten einer Mammutbaumallee?
Die Szenerie: Das Château de Florans liegt neben dem Zentrum des Städtchens. Vor dem Schloss grünt ein standesgemäßer Park. In diesem Park ist eine Allee ganz und gar nicht standesgemäßer amerikanischer Sequoias angelegt worden – jeder Baum inzwischen mächtig wie ein Kathedralenturm. Hinter diesen hölzernen Sauriern ist eine moderne, muschelförmige Bühne aufgebaut worden, ein Flügel im Zentrum, ein paar Scheinwerfer – et voilà, der Tempel der Klavierkunst ist bereit!
Wir sitzen am 13. August irgendwo in den theaterähnlich ansteigenden Rängen, die sich im Halbkreis um die Bühne winden. 18 Uhr. Dohlen krächzen im Park, ansonsten erwartungsvolle Stille. Madame Girod betritt die Bühne, Applaus, Chopin – und dann Gewittergrollen.


Vielleicht liegt es an uns. Wir waren im früheren Leben Hamburger, und jeder Hamburger ist ein Regengott, der von den Wolken geliebt wird. Seit gefühlt vier Monaten hat sich die Provence nicht mehr eingenässt – doch ausgerechnet an dem Tag, an dem wir ein Freiluftkonzert besuchen, gehen schon mittags die ersten Schauer nieder...
Grauer Himmel. Windböen. Die Organisatoren haben an jeden Besucher durchsichtige Einweg-Regenponchos ausgegeben. Wir hocken auf den Stühlen, nicht vollkommen entspannt, wie celophanverpackte Sandwiches. Am Rand des Sichtfeldes zerreißen Blitze den Himmel, direkt über den Wipfeln der Sequoias. Ich bin in der klassischen Musik ein Neunzig-Prozent-Analphabet, meine Aussage hat also nur begrenzten Wert: Marie-Catherine Girod, eine Pariser Künstlerin, ist berühmt für ihre eigenwilligen Interpretationen, gerade auch von Chopin. Aber bilde ich mir bloß ein, dass die Meisterin an diesem frühen Abend ihren Chopin immer drängender, immer leidenschaftlicher und, ja doch, immer rasender spielt? Noch mehr Donner. Einzelne Tropfen...
Aber Chopin und Marie-Catherine Girod gewinnen das Duell.

Die Wolken ziehen respektvoll um La Roque-d'Anthéron herum. Das Gewitter geht einige Hundert Meter neben uns nieder, man sieht die Regenwand und spürt die Feuchtigkeit in den Böen, die von dort herüberstreifen, doch außer ein paar Tropfen bleiben wir unbehelligt – und Chopin weht über die Bühne, bis zur Zugabe, bis zum Applaus und zu den „Bravo“-Rufen. Und bis zur Dunkelheit, die inzwischen den Park des Château de Florans umspült.

Donnerstag, 4. Juni 2015

Das MUCEM in Marseille

Eine hundertdreißig Meter lange Stahlbrücke trägt mich durch den Himmel von Marseille. Sie führt von einer alten Festung wohl siebzig Meter hoch bis auf das Dach des MUCEM, des schönsten, leersten, seltsamsten Museums an den Gestaden des Mittelmeeres.

Der Kulturtempel wurde im Juni 2013 eingeweiht, aus Anlass und zur Krönung jenes Jahres, in dem Marseille sich als Kulturhauptstadt Europas einen ordentlichen Hausputz gönnte. Entworfen hat es vor allem Rudy Ricciotti, ein Architekt aus der Stadt. Benannt haben es aber sicherlich ein paar beruflich schwerst deformierte Kulturbürokraten in irgendeinem Ministerium, die einer Logik folgen, der ich auch nach intensiverem Nachdenken nicht folgen mag. Also, Luft holen, MUCEM steht für Musée des civilisations de l'Europe et de la Méditerranée. Der spektakuläre Neubau zum Jubeljahr 2013 – es gibt weitere Bauten, wir kommen noch zu ihnen – heißt hingegen, genau: J4. (Muss ich erwähnen, dass es im ganzen Museum keine Gebäudekomplexe J1 bis J3 gibt, dafür aber ein l'I2MP? J4 heißt dafür auch die Promenade, auf der dieser Komplex steht.) Der Museumsbereich in J4 (es finden sich dort auch, zum Beispiel, Büros) heißt Galerie de la Méditerranée. Wer also eine Sonderausstellung besuchen will, der besucht die Galerie de la Méditerranée im J4 im Musée des civilisations de l'Europe et de la Méditerranée. Alles klar? Genau. Bon, für unsere Zwecke: MUCEM, das ist dieser spektakuläre, irgendwie vergittert wirkende neue Kasten am Meeressaum von Marseille.

Jahrzehntelang hatte sich Marseille nämlich vor dem Mittelmeer versteckt. Der Vieux Port, der Alte Hafen, wo schon Griechen und Römer ihre Galeeren anladeten: ein Yacht-gespicktes viereckiges Becken, so tief in der Stadt, dass man von seinen Kais den Ozean nicht einmal sehen kann. Der moderne Hafen, immerhin der (neben Algier) größte des Mittelmeeres: Eine Industrie- und Tankerwüste viele Kilometer westlich der Stadt, ein Dschungel aus Tanks und Schuppen und asphaltierten Rampen, die zu den Fähren nach Korsika und Nordafrika führen. Rost, Beton, Wellblech, Lastwagen, Lärm und Dreck, Dreck, Dreck.
Erst, als sich die Stadtregierung um Europas Ehrenplatz bemühte, entdeckte man das Meer wieder: steingepflasterte Esplanaden laden nun wieder zum Flanieren ein, zu einem Spaziergang bis hin zu den Wellen des wie eh und je unfassbar blauen Mittelmeeres. Eine Idylle ist das noch längst nicht, denn die Narben der industriellen Verwüstung kann kein urbaner Schönheitschirurg kaschieren. Mancherorts schlagen Schnellstraßen noch immer Schneisen zwischen der maritimen Promenade und den ersten Häusern, fault das Wasser in aufgegebenen Hafenbecken, die höchstens dekadente Modefotografen als Location begeistert.

Und doch: Marseille hat sich auf den Weg gemacht, den Barcelona schon länger geht. Eine alte Stadt am alten Meer, die auf einmal wieder schön wird und jung und lebenswert und modern und Besucher anzieht und Besucher nicht mehr loslässt, so dass manche für immer hier bleiben. (Zu schön, um wahr zu sein? Wiko, Frankreichs – nach Samsung und vor Apple – zweiterfolgreichster Handyhersteller ist, mais oui, ein Start-up aus Marseille.)
Das MUCEM ist dabei in dieser Sehnsucht nach Meer, nach Jugend, nach Kultur, nach Schönheit und Zivilisation die Kaaba von Marseille, das Zentrum, um das alle diese weltlichen Hoffnungen kreisen. Ein Kasten mit 72 Metern Kantenlänge, eingehüllt in ein Geflecht aus Betonplatten, das von Weitem so aussieht, als habe jemand ein Tarnnetz über eine gigantische Kiste geworfen. Der Würfel steht neben dem Fort Saint-Jean, einer Festung aus dem Ancien Régime, die einst den Vieux Port bewachte. Festung und Museum sind durch jene Stahlbrücke quer durch Marseilles Himmel verbunden. Eine ähnliche Traverse führt ins Quartier Panier, ein verlottertes, von massivster Gentrifizierung bedrohtes Hafenviertel, doch überwölbt diese kein Wasserbecken, sondern eine schnöde mehrspurige Straße.

Das MUCEM ist dabei zur großartigsten, nun ja, Museumshülle geworden, die ich je gesehen habe. Am besten betritt man, vom Vieux Port kommend, den Komplex an der Tour du Roi René, dem Turm der Festung Saint-Jean, der mit seinem Mauerwerk fast noch im Becken des alten Hafen steht. Das Fort selbst, noch immer massig, wuchtig, feucht, verbirgt hinter, nein auf seinen Mauern eine luftige Parklandschaft. Wiesen und Kräuter verschiedener provenzalischer Regionen blühen dort, wo einst Kanonen standen, und wer ein wenig sucht, der findet sogar einen ordentlichen mediterranen Gemüsegarten.
Apropos Gemüse: Neben dem Garten hat Le Café seine Pforten geöffnet, das genau, im MUCEM heißt alles anders, als es ist, gar kein Café ist, sondern ein veritables Restaurant – allerdings eines, in dem Köche und Kellner ausgebildet werden, damit sie dereinst in den Michelinsternetempeln der Grande Nation zaubern dürfen. Man kann rund um den Vieux Port schlechter essen als hier...
Schräg hinter dem Café erblickt der (wenn's geht: schwindelfreie) Besucher jene Brücke, die, näher betrachtet, fast wie eine etwas übergroße Regenrinne wirkt, auf der wir Menschlein wie die Kellerasseln zum J4 strömen.
Dessen betonrissiges „Netz“ stellt sich – man kann es vom anderen Ende der Brücke aus betasten – als leicht vernarbtes, armdickes, ich-möchte-nicht-wissen-wieviele-Tonnen schweres Kettenhemd heraus. Auf dem Dach endet die Brücke in einer Art Lichthof. Von dort taucht man ein, unter, neben, über das Betongewirr. Man kann nämlich auf einer Rampe zwischen Netz und Glasfassade außen um das Gebäude, sich langsam abwärts schlängelnd, herum gehen. Spiel aus Licht und Schatten, durchbrochene Blicke auf Segelboote im silbrigen Meer, auf das schwarz-weiße Zuckerbäckergebirge der Kathedrale La Major im Viertel Panier, auf das Fort Saint-Jean. Irgendwie modern, irgendwie arabisch – ein Hauch Marokko in Marseille – und auf jeden Fall schön. Eine Oase der Ruhe, selbst mit vielen Besuchern – zwei Millionen waren es im ersten Jahr. Weniger der akustischen, mehr der optischen Ruhe. Das Netz ist ein Filter zwischen Gehirn und Wirklichkeit.

Diese Wirklichkeit holt mich dann, leider, leider, im Innern von J4 mit einem vernehmlichen „Pfft“ wieder ein. Vielleicht ist das MUCEM nämlich das erste Museum ohne Sammlung, der erste Ausstellungstempel ohne Ausstellung. Klar, selbstverständlich stehen hier Exponate herum, von einer permanenten und von je mehreren Sonderausstellung. Aber das ist, hey, eine von Designern und wohlmeinenden Pädagogen aufgepeppte Rumpelkammer, ein Sammelsurium von Resten, die in den Depots von Marseille irgendwie übrig geblieben sind: Da hängen mittelgute Ölbilder mit Ansichten Venedigs aus dem 18. Jahrhundert in recht unvermittelter und unerklärlicher Nähe neben einer Guillotine, mit der der Staat im 19. Jahrhundert in einem Marseiller Gefängnis seine Schwerverbrecher entsorgte. Irgendwie hat das alles mit Europa und der Zivilisation und dem Mittelmeer zu tun, und sei es nur, dass irgend ein armer Verurteilter unter dem Fallbeil mit seinem letzten Atemzug noch einmal die pinien- und salzgewürzte mediterrane Luft eingesogen hatte, bevor dann das Eisen niedersauste und er nichts mehr hatte, womit er sie wieder hätte ausatmen können.
Aber was soll uns das bloß sagen? Warum hängen die Ölschinken neben dem Staatsmordwerkzeug?
Man merkt es dem MUCEM vor jeder Vitrine an: Marseille hat sich, weil es halt Kulturhauptstadt werden wollte, unbedingt ein neues Museum gönnen wollen. Aber man hatte nichts, um dieses Museum auch zu füllen.


So ist das MUCEM selbst sein bestes Museum geworden: Ein Schaukasten moderner, mutiger Architektur, verbunden mit einem brutal wuchtigen Altbau, dem auf äußerst elegante Art Leben eingehaucht worden ist. Ein Ort des reduzierten Lärms in einer tobenden Metropole, der erfrischenden Luft in einem sommerlichen Glutofen, der Schattenspiele in einer Stadt aus grellem Licht und finsterster Dunkelheit.

Freitag, 15. Mai 2015

Vincent van Gogh und das Licht der Provence

Die Natur hier ist außerordentlich schön“schreibt Vincent van Gogh seinem Bruder Theo - und lobt damit die Provence. Genauer: Arles, die Rhône, die Camargue, Saintes-Maries, das Mittelmeer... Am 19. Februar 1888 reist er nach Süden, fünfzehn Monate weilt er in und bei Arles, es sind die glücklichsten seines kurzen Lebens. „Überall ist die Himmelskuppel von einem wunderbaren Blau, die Sonne strahlt ein blasses Schwefelgelb aus.“




Tatsächlich mag man als Maler trunken werden von den Farben der Provence oder vielleicht auch wahnsinnig, denn keine Palette der Welt kann die Nuancen fassen, in der hier Himmel und Erde, in der Felsen, Wolken, Laubkronen, Rebstöcke, Gemäuer, in der noch alltäglichste Dinge wie Bänke oder Briefkästen leuchten, flimmern, glühen.
Eine simple Besorgungsfahrt, ein Fußweg von fünf Minuten, ein Blick von der Terrasse, kann hier zum Bilderrausch mutieren, halb Spaziergang durch eine imaginäre Galerie, halb psychedelischer Trip.

Morgens legt sich das Frühlicht wie Honig über Hausmauern und Hügelkuppen. Manchmal, wenn meine Tochter zur Grundschule unseres Städtchens geht, blickt sie auf ein weites Tal, in dem, hundert Meter unter ihren Füßen, Nebelfiguren aufquellen wie Totengeister. An anderen Morgenden drückt der Mistral ebendort das hochgewachsene, noch sattgrüne Getreide in Wellen zusammen, die wie Schauer eines Fieberkranken über die Felder zucken.
Mittags ist der Himmel blassblau, beinahe weiß vor Hitze, weiß ist die Sonne, weiß glänzt der Sandboden, silbern schimmern die schmalen Blätter der Olivenbäume. Schatten wie Scherenschnitte, klein, präzise, tintenschwarz. Die schmiedeeiserne Krone des städtischen Glockenturms steht in der Luft wie ein chinesisches Schriftzeichen.
Nachmittags glüht der Boden, als würde er der Sonne antworten. Alles schimmert warm und rot, das knotige Holz unter den Weinreben, die jahrhundertealten Stützmauern der terrassierten Felder, die Dachschindeln aus gebranntem Ton. Das Mittelmeer liegt da wie flüssiges Gold, man darf absurderweise denken, dass die Boote, die durch dieses Wasser gleiten, gleich entzündet werden und in Flammen vergehen.



Abends ist das Band des Horizonts violett wie schwerer Damast. Manchmal, wenn erst zur späten Stunde der Mistral aufkommt, zerreißen Böen Wolkentürme zu gewaltigen Gebilden, zu Kontinenten ohne Substanz, zu Fabelfiguren und Höllengebilden, die von einem Licht, das aus ihren Leibern selbst zu strahlen scheint, rot und rosa, orange und gelb schimmern. Nach wenigen Augenblicken schon ist der Spuk zerfetzt, sind seine Farben verglüht zu Eisengrau.
Nachts ist der Mars ein rötliches Signallicht auf schwarzem Samt, ist die Venus ein weißer Stecknadelkopf, sind die Sterne verstreute Glassplitter, sind Pinienkronen und Eichenäste Konturen in einer zweidimensionalen Welt, nur zu ahnen, weil ihre Massen noch schwärzer sind als der schwarze Himmel.
Manchmal höre ich gar nicht mehr auf hinzusehen. Und ich weiß nicht, ob es ein Fluch ist, dass ich nicht malen kann, oder nicht vielmehr eine Gnade. Denn könnte ich malen, würde mich dieses Licht einfach fortspülen wie die Meeresströmung einen Schwimmer.

Ich habe ein schreckliches Bedürfnis nach – soll ich das Wort sagen – nach Religion“, gesteht Vincent van Gogh dem Maler Émile Bernard, „dann gehe ich nachts hinaus ins Freie und male die Sterne.“


Mittwoch, 25. März 2015

Der Absturz von Germanwings 4U9525 in Südfrankreich

Die 150 Menschen an Bord des Airbus von Germanwings-Flug 4U9525 haben gestern ihr Leben an einem schroffen und erhabenen Ort verloren. Verwandte besitzen ein Haus in den Alpen der Haute-Provence, bloß eine gute Wandertour entfernt, wir sind hin und wieder dort. Auf manchen Gipfeln umschließt dich eine Stille, so unfassbar tief, als gäbe es kein Leben mehr auf dieser Welt.


Seyne-les-Alpes, wo sich nun Hunderte Retter und Politiker und Journalisten und wohl bald auch schon Hinterbliebene versammeln – versammeln müssen, denn es ist das einzige Städtchen im Tal – ist ein Ort, der sich an eine Bergflanke schmiegt: Eine einzige Straße, gewunden wie ein Gebirgsfluss und hinter manchen Kurven kaum fünf Meter breit. Eine uralte Festung über den Dächern der gedrängten Häuser. Eine bezaubernd restaurierte Barock-Kapelle, viel zu verspielt und sanft für diesen Ort in Steingrau. Menschen, die dich noch grüßen, wenn sie dir auf den bürgersteiglosen Seitengassen entgegen kommen. Eine Apotheke.
Die nächsten größeren Städte sind Digne und Barcelonnette (Das „kleine Barcelona“, manchmal trieft die Geschichte von schwarzer Ironie und schlechtem Geschmack.), und die liegen je schon eine Dreiviertelstunde Fahrt entfernt.
Wenn das Wetter gut ist.


Verlässt du den Ort, links oder rechts in die Flanken der Zweitausender, Dreitausender hinein, umwölben dich Tannenwälder. Im Winter bist du dankbar für Schneeschuhe, ihre Trittflächen verhindern, dass du bis zu den Knien im weißen Pulver einsinkst, ihre Eisenspikes krallen sich in den Boden, so dass man wie ein Insekt über steile Anstiege kriecht. Ein paar Forst- und Wanderwege, dann bloß noch Unterholz.
Manchmal öffnen sich die Wälder zu Almen und im Winter verlassenen Feldern. Ruinen alter Häuser, kaum mehr als graue Steinhaufen. Scheunen, die Tore verrammelt, die hölzernen Außentreppen schief und verrottet. Aus manchen Ställen dampft es: Schafe, die in tierwarmen Pferchen ausharren, die Körper umhüllt von Winterwolle.
Kletterst du höher, weichen die Bäume zurück. Buckelige Hänge. Schnee. Felsen. In der Ferne grauweiß glitzernde Gipfel, von Horizont zu Horizont. Ein Gefühl, als würde man durch Alaska streifen, und plötzlich erinnerst du dich wieder daran, dass sich die Wölfe die Seealpen zurückerobert haben, inzwischen reißen die Tiere einige Tausend Schafe pro Jahr.
Am Hang, windgeschützt, dort, wo die Sonne hineinscheint, ist es beinahe schon so warm wie am Mittelmeer. Im Spätsommer wachsen hier Blaubeeren, stecknadelkopfklein und herrlich süß. Hundert Meter weiter, wo ein sibirischer Sturm einen Felsbuckel freischält, trifft dich die Kälte dann wie ein Sprung ins Antarktiswasser.



Die Retter, die nun die Leichen und die Trümmer aus dem zwei Quadratkilometer großen, zernarbten Felshang unterhalb der Gipfelkette der Trois-Évêchés bergen, riskieren ihr Leben für diese traurige Pflicht. Böen zerren an den Helikoptern, die sie nach oben fliegen. Wolken verhüllen die Bergflanken. Nur wenn der Himmel aufreißt, dann werden sie fünfzig, hundert Kilometer weit auf Felszinnen blicken. Und auf einen Himmel, so tiefblau wie römisches Glas. Und auf die Kondensstreifen von Flugzeugen, die darüber ziehen, als wären sie immateriell.


Donnerstag, 12. März 2015

Tödliche Camargue

Capitaine Roger Blanc ermittelt seit heute in einer bizarren Welt am Rand des Mittelmeeres. Voilà, die „Tödliche Camargue“ ist da!



Der Gendarm wird, mitten im Hochsommer, eine Hitzewelle dörrt Frankreich aus und fordert bald die ersten Opfer, in die Camargue gerufen. Ein schauderhafter Unfall, so scheint es, denn ein Kampfstier, der dort auf einer Weide gehalten wurde, hat einen Radfahrer aufgespießt. Doch dieser Radfahrer ist nicht irgendwer, und bald verstrickt sich Blanc in den Wahnsinn van Goghs, in den Wahnsinn der Politik, in den Wahnsinn der rätselhaften Kirche von Saint-Gilles und in den Wahnsinn eines alten Attentats, das jeder gerne vergessen will...
Die Camargue ist ein Ort, an dem man noch glauben kann, dass die Welt eine Scheibe ist, so flach ist dieses Halbland-Halbwasser. Hier, wo man zumindest die Illusion hat, man könnte jedermann noch auf zehn, zwanzig Kilometer Entfernung sehen, ist es gar nicht so einfach, am grell-lichten Tag unbeobachtet einen Mord zu begehen. Deshalb ist es natürlich besonders reizvoll, gerade auf dieser Bühne ein Verbrechen zu inszenieren, rein literarisch, versteht sich.
Rein literarisch? Nun ja, die Ausgangssituation ist nicht ganz und gar fiktiv und keineswegs eine Ausgeburt meiner perversen Gewaltfantasie. Ein wahrer Fall steht am Anfang allen literarischen Wahns. Am 14. Oktober 2013 wurde tatsächlich ein Radfahrer in der Camargue von einem entlaufenen Kampfstier getötet. Der Unglückliche war allerdings ein deutscher Tourist (seine Ehefrau kam mit Verletzungen davon) und kein prominenter Pariser Journalist, wie im Krimi. Und kein Finsterling hatte dabei seine Hand im Spiel, es war einfach bloß eine tragische, schreckliche Attacke des Tieres, ein Lehrbuchbeispiel, was geschehen mag, zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.

Wer hin und wieder im Blog vorbeischaut, der wird im Roman manches vertraute Echo vernehmen: die Camargue, die Kampfstiere... Anderes wird die (hoffentlich) geneigte Leserin, den geneigten Leser überraschen. Wie etwa - eh bien, mehr wollen wir nicht verraten, d'accord?

Dienstag, 3. März 2015

Die Camargue ist ein riesiger Zerrspiegel

Die Camargue ist ein riesiger Zerrspiegel, von Gott geschaffen, um die Sinne der Künstler zu verwirren. Vincent van Gogh ist hier in Motiven und im Glück fast ertrunken und mit Hunderten Bildern sowie unzähligen Erinnerungen wieder herausgekommen, aber gefestigter ist seine Seele nicht geworden. Südlich von Arles – wo sich jener zerquälte niederländische Maler an einem Tag vor Heiligabend am Kopf verstümmelte - fächert sich die Rhône zu einem 150.000 Hektar großen Dreieck auf, in dem sich Fluss und Meer, Süß- und Salzwasser, Gras und Sonne, Erde und Wasser mischen.
Für prosaische Gemüter: Die Camargue ist Frankreichs zweitgrößter Sumpf nach dem Zirkel der Pariser Politik. Für empfindsamere Gemüter: Die Camargue ist ein Wunder aus Licht.
In der weiten Ebene ragen die weißgetünchten Mauern alter Hirtenhäuser auf wie gekenterte Rettungsboote, das Auge ist dankbar für jeden verkrüppelten Busch, der ihm Halt gibt, und die uralte trutzige Kirche von Saintes-Maries-de-la-Mer steht gefühlt noch nach einer hundert Kilometer langen Fahrt über dem Horizont. Brackwasserseen schimmern, als wären sie illegal von einer Chemiefabrik verklappt worden: kobaltblau, schaumig-rosa, gelb. Im oft kaum knietiefen Nass stehen Flamingos und warten darauf, dass endlich etwas passiert. Im flirrenden Licht verstecken sich grauweiße Pferde und schwarze Rinder. Abends dampft der feuchte Boden Mückenwolken aus, und dann ahnt jeder Wanderer, dass Luzifer auf uns Sünder möglicherweise nicht mit Höllenfeuer oder ewigem Eis wartet, sondern in der Camargue lauert und uns grinsend eine leere Flasche Autan vor die zerstochenen Gesichter hält.



Die Camargue ist eine seltsame Welt – und sie wird zusammengehalten von ... Reis. Mais oui. Vergiss das Gedöns von Lavendel und Oliven. Im Süden des Südens ist oryza sativa das Gewächs, auf das es ankommt. Ohne dieses zähe, nahrhafte Zeugs wäre die Camargue, vor allem nach den Eindeichungen der letzten zwei Jahrhunderte, wahrscheinlich zu einer einzigen großen Saline versalzen. Reis regelt den Wasserhaushalt und den Salzgehalt.
Etwa 200 Riziculteurs ernten in der Camargue 110.000 bis 120.000 Tonnen jährlich, fast sechs Tonnen pro Hektar. Damit decken sie immerhin knapp die Hälfte des Verbrauchs in Frankreich. Irgendwann im Mittelalter wurden die ersten Setzlinge gepflanzt, aber erst unter Henri IV. ist der Reis wirklich populär geworden. Zumindest etliche Generationen lang. Doch im 19. Jahrhundert lohnte sich die mühsame Ernte nicht mehr, die Felder verödeten. Bis die Deutschen kamen. Beziehungsweise die Wehrmacht. Beziehungsweise die Vietnamesen.
Denn als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, beorderte die Pariser Regierung 20.000 Männer aus der Kolonie Indochina nach Europa. Der Plan: Die Vietnamesen sollten in Frankreichs Fabriken schuften, damit möglichst viele echte Franzosen frei waren zum Kriegseinsatz gegen Nazi-Deutschland. Dieser Kriegseinsatz endete bekanntlich im Debakel, und zwar so rasch, dass jene unglücklichen Asiaten mehr oder weniger noch auf See waren, als die nicht mehr ganz so Grande Nation bereits kapituliert hatte. Zurückschicken konnte man die Vietnamesen auch nicht. Mit welchen Schiffen? Und hätten das die Japaner überhaupt zugelassen, die sich mit Waffengewalt aus der französischen Konkursmasse in Südostasien bedienten?
Da kam irgendjemand auf die Idee vom Klischee: Asiaten essen doch Reis – lassen wir sie also, da sie nun schon einmal da sind, auf die verödeten Felder...

Tatsächlich schufteten Vietnamesen unter den harten Bedingungen der Camargue zwei Jahre lang, bis sie dem Sumpf die erste Ernte abgerungen hatten. Und dann noch eine. Und wieder eine. Und so ist es geblieben, bis heute. Der Reis der Camargue, der Schweiß der Vietnamesen. (Die Arbeiter sind übrigens 1945 recht form- und danklos wieder nach Hause geschickt worden.)
Wenn, irgendwann zwischen Mitte September und Anfang Oktober, der Reis geerntet wird, rattern Mähdrescher über die fast trockenen Felder und streifen die Körner von den Halmen; richtig sumpfig sind die Felder nur im Frühjahr. Der beste Reis, den sie ernten, ist eine lokale Mutation: rote, würzige Körner. Sie werden im Freien ausgelegt, wo sie getrocknet werden.

Und zwar von der Sonne und vom Mistral, wie es sich gehört.

Mittwoch, 11. Februar 2015

Warmer Dezember im Midi

Jetzt, da das Thermometer nachmittags erstmals wieder die 20-Grad-Marke liebkost, ist es Zeit, einen nostalgischen Winterblick zurück zu werfen auf Schnee und Sturzfluten...




D'accord, Mitte Dezember umwehte ein laues Lüftchen die provenzalischen Weihnachtsbäume, doch der Winter kann auch anders, wie man hier auf die harte Tour lernt.

Im November etwa machte Gott den Rasensprenger an, indem er noch vor der Morgendämmerung ein paar Stauseen über uns ausgoss. Im ersten Licht hatten wir dann einen Tümpel vor unserem Haus, wo beim letzten Licht des Vortages noch eine Wiese gewesen war. Die Touloubre, ein alles in allem recht bescheidener Vertreter der Kategorie „Bach“, war über die Ufer getreten und hatte unser Tal ein paar Hektar weit überflutet. Erdig-braunes Wasser überall. Fröhlich gurgelnde Strömungen. Plastikfahnen halb zerfetzter Einkaufstüten. Äste, Bambusrohre, ganze Bäume stauten sich unter, an und sogar auf der kleinen Brücke. Und Dutzende Tennisbälle im Gesträuch. (Irgendwo stromauf muss die Touloubre offenbar quer durch einen Tennisplatz fließen.)


Die Felder unterhalb unseres Städtchens, auf denen kleine, grüne Setzlinge standen, sahen aus wie die Sümpfe der Camargue. Und zwei Nachbarn, die hoch über dem Bach am Hang wohnen, hatten das Erdgeschoss knöcheltief geflutet, weil Regenwasser in so üppiger Großzügigkeit die Bergflanke hinunterfloss, dass die Entwässerungsgräben kapitulierten.


Im Januar kam der Frost, im Februar der GAUS – der Größte Anzunehmende Unfall mit Schnee... Nachdem Météo France kolossale fünf bis zehn Zentimeter (!) weiße Pracht für unseren Teil der Provence angekündigt hatte, kollabierte die öffentliche Ordnung, der Staat zog sich zurück. Kein Witz: Lange vor der ersten schüchternen Flocke bereits verbot der Präfekt unseres Départements den Einsatz von ... Schulbussen. Alle Wagen blieben im Depot, unsere großen Kinder hatten schneefrei, weil sie nicht bis nach Salon-de-Provence kamen.
Als sich dann tatsächlich der weiße Mantel über den Midi breitete, brachten wir wenigstens unsere Jüngste den Hügel hoch ins Städtchen, mit dem eigenen Auto, etwa 120 Höhenmeter. Wir hatten Winterreifen drauf, ein Relikt unserer Hamburger Zeit. Die Fahrt war ein Witz, die Schwierigkeiten lagen so nahe am Nullpunkt wie das Quecksilber. Wer seine Kiddies sonst auch immer zu Fuß hinbringen konnte, der brachte sie hin. Wer sonst mit dem Auto kam, der blieb jedoch zu Hause – niemand hier zieht Winterschlappen auf die Felgen seiner Peugeots oder Renaults.
Die Gelegenheit, nordisch stolz und Schnee-erfahren über diese Südländer zu spötteln, die ihre Kinder bei zwei Flöckchen nicht mehr in die Schule bringen konnten? Na ja, in der école fiel dann die Heizung aus, wer von der Klasse da war, hockte mit der Lehrerin vereint im Wintermantel bibbernd im Klassenraum...

Ein bisschen später meinte dann der Mistral, dass er auch mal wieder vorbeischauen sollte: 80, 90 Stundenkilometern, in Böen über 110, direkt vom Montblanc, bei leichtem Frost. Da kommen dir auf dem Hügel die Tränen, aber nicht vor Glück. Und neben der Heizung schwächeln dann auch Internet und Strom. Die Kabel hängen nämlich einfach wirr von dünnsten Pfosten in der Landschaft herum, so gespannt wie hundert Jahre alte Gitarrensaiten. Bei diesem ordentlichen Wind tanzen sie graziös in der eisigen Luft hin und her und lassen in den Häusern fröhlich die Sicherungen knallen und die WiFi-Boxen das verdammte Internet suchen. Apropos Häuser: Altes Gemäuer, romantische Holzfenster, original Einfachverglasung. Muss ich mehr schreiben?

Und dann, ganz plötzlich, scheint die Sonne wieder und es ist 20 Grad warm und du sitzt im Pullover auf der Terrasse und trinkst Kaffee. (Und bemerkst reichlich spät, dass deine Jüngste nur noch im Unterhemd durch den Garten tobt. „Mir ist so heiß!“)
Werden bis zum nächsten November die Entwässerungsgräben tiefer gegraben? Hey, bei dem bisschen Regen lohnt das nicht! Werden Strom- und Telefonleitungen wetterfest unter die Erde gelegt? Wozu, das Wetter ist doch immer gut! Werden sich deine Nachbarn Winterreifen anschaffen? Für zwei Tage Schnee im Jahr, ich bin doch kein connard!
Winter, was ist das?



P.S.: Am Morgen vor jenem warmen Februarnachmittag zeigte das Thermometer noch -2 Grad. Ich musste, bewehrt mit Handschuhen und Mütze, erst einmal mühsam die Scheiben freikratzen, bevor ich den Hügel hochgedüst bin. Auf Winterreifen. Die Fahrt war ein Witz.

Dienstag, 13. Januar 2015

Kein Platz dem Terror



Ist das nun Krieg? Nach den Morden und Gewalttaten in der Redaktion von „Charlie Hebdo“, nach den exekutieren Polizisten, dem hinterrücks niedergeschossenen Jogger, den massakrierten Juden im Supermarkt kann man das denken. Auch wenn es sich bizarr anfühlt, in der Provence, achthundert Kilometer vom Alptraum entfernt. Unglauben, Fassungslosigkeit, Wut, Trauer, als die Nachrichten vom 7. Januar hier ab dem späten Vormittag einschlagen ... und einschlagen ... und einschlagen. Der Alptraum will überhaupt nicht aufhören, drei elende Tage lang.
Und in diesen Tagen und in den Tagen danach merkt jeder hier, dass man eben doch nicht achthundert Kilometer entfernt ist, sondern dass der Midi ein geistiges und manchmal auch brutal körperliches Schlachtfeld ist, schon lange. Ein paar Erinnerungen, die in der – berechtigten – Flut der vielen Beiträge zum islamistischen Terror in den Hintergrund gedrängt werden, wenn sie denn überhaupt je im allgemeinen Bewusstsein registriert worden sind:


Mehdi Nemmouche, der Mörder, der im Jüdischen Museum in Brüssel um sich geschossen hatte, wurde am 30. Mai 2014 verhaftet, sechs Tage nach der Bluttat – und zwar in Marseille, zufällig, bei einer Kontrolle eines Fernbusses durch den Zoll. Nemmouche, ein Krimineller, saß 2008 bis 2010 im Gefängnis: in Salon-de-Provence. Hinter Gittern wurde aus dem „gewöhnlichen“ Kriminellen (Klingt das nicht schrecklich verniedlichend?) ein radikaler Islamist. Hört sich plötzlich vertraut an, diese Geschichte, nicht wahr?
Die Frage ist: Was hatte Nemmouche in Marseille zu suchen, der zweitgrößten muslimischen Gemeinde Frankreichs? Oder besser: Wen suchte er hier? Komplizen? Hintermänner? Helfer? Wen auch immer: Nemmouche schweigt – und niemand außer ihm und vielleicht jenen Unbekannten weiß, was er hier in Marseille wollte. Auf jeden Fall laufen diese Unbekannten noch frei herum, womöglich irgendwo im Midi.


Von den französischstämmigen Muslimen, die in Syrien für den „Djihad“ kämpfen, sind bislang mindestens sechzig umgekommen. Von diesen sechzig stammen sechs – ein Zehntel! - aus Lunel, einer Stadt zwischen Nîmes und Montpellier. Einer Gemeinde von bloß 26 000 Einwohnern. Bei diesen Zahlen kann man wohl schwerlich von „isolierten Einzeltätern“ sprechen...


Wo kommt das Arsenal der Mörder her? All die Kriegswaffen, die man sonst eher aus miesen Filmen kennt? So schwer, wie man denken möchte, sind diese automatischen Gewehre allerdings nicht zu besorgen, zumindest wenn man bereits „gewöhnlich“ kriminell ist. Und zumindest, wenn man Marseille kennt. Hier finden „Abrechnungen“, so nennt das die Polizei und die Presse und eigentlich jeder, unter Drogendealern mit der Kalaschnikow in ermüdend blutiger Regelmäßigkeit statt. Im Durchschnitt etwa alle zwei Wochen wird ein Dealer mit der kalash umgebracht. Wohlgemerkt: Alle anderen Morde im Milieu sind darin ebenso wenig mitgezählt wie sonstige Bluttaten, etwa in Beziehungen. Alle zwei Wochen Salven aus Schnellfeuergewehren...
Eine AK-47 (oft eher deren jugoslawischer Nachbau) ist nämlich, via „Balkan-Connection“, in Marseille für 500, 800, bestenfalls 1000 Euro zu haben. Das Arsenal der Mörder von Paris lässt sich also leicht, relativ risikolos und ziemlich billig zusammenstellen.


In Avignon thront der monumentale mittelalterliche Papstpalast, heute ein riesiges Museum. Das Museum hat eine Website – und diese Website wurde am 9. Januar, noch während das Drama andauerte und als bereits Tausende im Protest auf der Straße waren, von Hackern gekapert: Islamisten, die dort Propaganda verbreiteten. Ebenso wie auf der Site des Friedensmahnmals von Caen. Ebenso wie auf den Seiten mehrerer Gemeinden in der Nähe der Attentatsorte.


Als ob das alles nicht reicht: Als letzten Sonntag buchstäblich Millionen – Christen, Juden, Muslime, Atheisten und wer auch immer sonst an was auch immer glaubt, Männer und Frauen, Kinder und Greise, Urfranzosen und Einwanderer - in Paris auf die Straße zur vielleicht beeindruckendsten und würdevollsten Demonstration aller Zeiten gingen, da war eine Gruppe ganz woanders:
Der Front National zelebrierte sich und seinen Hass in Beaucaire, an der Rhône, nur ein paar Kilometer vom virtuell gekaperten Papstpalast entfernt. Mitten in der Provence. Zufall? Oder weil hier das Wetter so schön ist, dass man auch im Januar eine manif riskieren kann? Njet: Im Midi sind die Rechten so stark wie kaum irgendwo sonst, und Beaucaire ist eine ihrer größten Bastionen. Marine Le Pen will die bitteren Früchte ernten, denn eigentlich herrscht in Frankreich permanent Wahlkampf und 2016 geht es um das Präsidentenamt. Ein Witz, wenn als letzte Folge der zwanzig Toten von Paris eine anti-muslimische und anti-jüdische und anti-Charlie-Partei („Je ne suis pas Charlie“, polterte der Senior und das ist immerhin ehrlich.) den Elysée-Palast erobert, oder? Das Lachen bleibt einem im Halse stecken.


Und doch: Samstag, fünfzehn Uhr, Salon-de-Provence. Eine hübsche Kreisstadt, wuchtige Burg in der Mitte und seit Nostradamus hier raunte, war kein Bürger mehr berühmt. Aber nun sind die Straßen voll. 8000 oder 10 000 Menschen sind wir: bildhübsche Gymnasiastinnen, pensionierte Flics, Damen in Pelz, Familien mit algerischen Wurzeln. „Je suis Charlie / Je suis policier / Je suis juif“ auf den Plakaten, selbstgezeichnete Karikaturen, die Trikolore – und viele, viele Stifte. Der Bürgermeister verliest die Namen der Toten. Bei jedem, jedem!, brandet trotziger, erhabener Beifall auf.


Dann, plötzlich, singen wir, manche mit erhobener Faust:


Allons enfants de la Patrie
Le jour de gloire est arrivé !
Contre nous de la tyrannie
L'étendard sanglant est levé
Entendez-vous dans nos campagnes
Mugir ces féroces soldats?
Ils viennent jusque dans vos bras.
Égorger vos fils, vos compagnes!
Aux armes citoyens
Formez vos bataillons
Marchons, marchons
Qu'un sang impur
Abreuve nos sillons





Ziemlich martialisch – und auf einmal gar nicht mehr aus der Zeit gefallen, der alte Kampfsong aus der Revolution. Da stehst Du, mitten in einem Meer stolzer, zorniger Bürger einer Republik, und spürst: Die werden kämpfen! Wir werden kämpfen! Vielleicht ist das der Ruck, der durch diese Republik gehen muss. Wir hätten einen hohen Preis dafür bezahlt. Aber dann wären die Opfer von Paris zwar eines brutalen und viel zu frühen, doch wenigstens keines sinnlosen Todes gestorben.