Freitag, 15. September 2017

Olympia 2024 an der Cote Bleue

In der „Gefährlichen Côte Bleue“ gibt es eine Passage, von der ich gedacht, ach was: von der ich gehofft habe, dass sie schon ein paar Monate nach Erscheinen des Romans von der Wirklichkeit überholt wird. Et voilà: Die Olympiade 2024 kommt, wie im Krimi angedeutet, in die Provence!
D'accord, die eine oder andere Randsportart soll in Paris ausgetragen werden, aber, hey, die wichtigsten Wettkämpfe finden direkt vor meiner mediterranen Haustür statt: die Segelregatten.




Jetzt ist es IOC-amtlich: die Olympischen Sommerspiele 2024 (im hiesigen Jargon: les J O) kommen, nach 100 Jahren Irrfahrt durch die Welt, zurück nach Paris. Und da man in Paris nicht so wahnsinnig gut segeln kann, und da es in der Bretagne sommers nur drei Wetterzustände gibt (Regen, Nebel, Ebbe), werden sich die Segler halt in der Bucht vor Marseille duellieren. Mistral oder Südwind, dreißig oder vierzig Grad, blaue Wellen und graue Delphine vor dem Bug! (Mais oui, es tummeln sich ein paar Hundert Flipper vor der provenzalischen Küste. Letztens waren wir mit unserer segelnden Plastiktitanic gerade mal an Port-de-Bouc vorbei, flupp, schon waren etwa zehn Tiere da. Leider spielten sie um den Bug eines anderen – schnelleren, eleganteren – Bootes und zogen schließlich mit dem von hinnen...)
Ich freue mich auf jeden Fall, und eigentlich freue ich mich doppelt. Zum ersten freue ich mich einfach so. Olympia, wow! (Soll ja Orte geben, die Olympia in einer Volksabstimmung niedergeknüppelt haben. Aber das ist halt der Unterschied zwischen Weltstadt und Nicht-Weltstadt.)


Zum anderen freue ich mich, weil die Entscheidung voll in den Karton von „Gefährliche Côte Bleue“ rappelt. Meine Krimis um Capitaine Blanc sollen, hoffe ich, nicht allein die Kochtopf-und-Weingut-Provence zelebrieren, sondern halt die Provence in ihrer Schlechthinnigkeit beschreiben, zumindest ansatzweise. Also gibt es hier eben auch, zum Beispiel, Front-National-Wähler (immerhin mindestens ein Drittel meiner Nachbarn), korrupte Politiker (gefühlt mindestens ein Drittel der Gewählten) und Aluminiumfirmen, die ihren Dreck im Meer versenken (wo ich aus juristischen Gründen Namen und Ort geändert habe, aber, beispielsweise, Abraummenge und -zusammensetzung direkt aus den entsprechenden Umweltunterlagen übernehmen konnte.)
Und es gibt Olympia.
Rund um den Étang de Berre nämlich, direkt neben Marseille, geht das Ölzeitalter rapide dem Ende zu. Raffinerien schließen, die Luft wird besser und das vormals verunstaltete Land liegt brach. Was tun? Für Immobilienentwickler (promoteur auf Französisch, reimt sich nur rein zufällig auf voleur) ist das ein Schlaraffenland am Mittelmeer: Billigste Grundstücke neben oder auf ehemaligen Raffineriegeländen. In wenigen Jahren gibt's diese Stinkekästen nicht mehr, dafür aber kreuzen die weltbesten Segler und Tausende Fans hier auf.
Zwei Millionen Segler, so schätzt Nicolas Hénard, Präsident der Fédération Française de Voile und selbst zweifacher Goldmedaillengewinner, durchpflügen Frankreichs Gewässer, und wer weiß, wieviele Millionen es weltweit sind. Noch dazu sind Yachties normalerweise nicht die Ärmsten der Armen. Viele, viele, viele von ihnen werden in den nächsten Jahren gen Marseille aufbrechen, sie werden sich auf dem zukünftigen Olympiarevier tummeln, sie werden die Küste sehen und sich sagen: ach, ganz schön hier, und vielleicht wird der eine oder andere denken, dass dies eine Alternative wäre zu einer Hütte an der Côte d'Azur...



Genau: die Spekulation wird munter blühen, die Preise werden steigen, und viele, viele Menschen werden sehr, sehr reich dabei. Und das ist genau das, was ein porschefahrender Segelfunktionär und Glücksritter in der „Gefährlichen Côte Bleue“ meinem Protagonisten prophezeit: seine Küste und Martigues werden zur zweiten Côte d'Azur. Im Krimi ist es noch nicht klar, ob Paris – und damit Marseille – den Zuschlag für les JO bekommen wird. Unser Porschefahrer beschwört Capitaine Blanc, seine Mordermittlungen so diskret wie möglich zu beenden, denn er fürchtet einen imageschädigenden Skandal mitten in der hypersensiblen Bewerbungsphase.
Das ist nun vorbei: Capitaine Blanc müsste keine Rücksichten mehr nehmen. Der Krimi hat sich, in dieser Hinsicht, bewahrheitet: die Olympischen Spiele kommen.

Und, klar, das stand auch schon in der Lokalzeitung: die Immobilienpreise rund um den Étang de Berre und die Côte Bleue ziehen bereits an...


PS: Dear American readers: You may find the blog (in German, yepp, sorry) on the book "Murderous Mistral" here:
https://provencebriefe.blogspot.fr/2014/05/esmag-vielleicht-etwas-seltsam.html


PPS: Und wer im Oktober ein wenig Zeit hat, der muss nicht nach Frankreich fahren, um Frankreich-Krimi-Autoren zu sprechen, es reicht ein Hopp nach Frankfurt. Auf der Buchmesse präsentiert sich diese Bande hier: 
https://meinfrankreich.com/atout-france_krimiautoren_buchmesse/