Mittwoch, 19. Dezember 2018

Garten im Dezember


Der Dezember ist eine gute Zeit für den Garten. Wirklich, das ist jetzt sowas von unironisch, das könnte glatt von der Kanzlerin stammen. Kurz vor Weihnachten blühen hier zum Beispiel die letzten und die ersten Blumen: eine späte Rose vor der Südwand der alten Ölmühle, blaue, gelbe, rosafarbene und weiße kleine Dinger in der Garrigues, eine violette Iris, die vielleicht gedopt ist, sonst kann ich mir auch nicht erklären, warum die jetzt schon aus der Erde linst.



Im Dezember regnet es regelmäßig. Nun ja, dieses Jahr schüttet es, als liegt der Midi an der Elbe, aber selbst in normalen Jahren kommt ordentlich was runter, was sonst anderswo im Kalender hier eher selten ist. Ich habe schon ein Jahr erlebt, in dem es zwischen April und Oktober nicht ein einziges Mal geregnet hat, nichts, nada, nicht mal ein Hitzegewitter. Nur zwischen November und Januar kannst du einigermaßen sicher sein, dass deine neu gesetzten Pflanzen regelmäßig vom großen Regenmacher gewässert werden und nicht aus dem Gartenschlauch berieselt werden müssen.
Nachts friert es oft, aber nicht immer, minus zwei, drei Grad, als Autofahrer musst du deine Scheiben morgens freikratzen, aber so richtig mörderisch kalt wird es eben nicht.



Zudem fällt nur selten Schnee und wenn, dann fällt der morgens und ist nachmittags schon wieder getaut. Schweinekalt wird's nur, wenn der Mistral bläst: hundert Sachen, Nordwind, mit freundlichen Grüßen vom Gipfel des Montblanc, da freut man sich über seine Funktionskleidung vom Outdoorladen. Aber, hey, leichter Frost und böser Mistral – das ist die Kombi gegen Schädlinge, sehr öko und sehr wirksam!
Sonst ist es nämlich in der Provence – zumindest im meernahen Süden, wo wir hausen – so mild, dass immer noch Tausendfüßler, Käfer, Spinnen und was-weiß-ich-was herumbrummen. Vor allem Fliegen, mon Dieu, unser Nachbar gegenüber vom Bach hat eine Ziegenherde und die ist ein Paradies für diese Scheißdinger und die schwirren dir selbst noch um den Weihnachtsbaum. Da ist so ein bisschen Frost und Mistral nicht schlecht, dann sind die Biester endlich fort.



Und dann... ah, das Licht! Was mich früher in Hamburg regelrecht zermürbt hat, das war ja nicht der Regen oder die Kälte, das war die Düsternis. Gefühlt war es zwischen Oktober und April immer grau. Und wenn es nicht grau war, dann war es neblig. Und wenn es nicht neblig war, dann war Nacht. Hier aber hält sich selbst das Schmuddelwetter einen Tag – oder maximal zwei, aber dann wird schon die Hälfte der verwöhnten Bevölkerung depressiv – und dann, voilà, scheint wieder die Sonne. Dann hast du, mitten im Dezember, blauen Himmel von acht Uhr bis siebzehn Uhr und davor und danach einen Sonnenuntergang zum gläubig werden.


Und im Windschatten, mittags, kannst du draußen essen, in Fleecepullover und mit Sonnenbrille. Mais oui. Man muss sich halt nur darauf einstellen, dass es Tage gibt, da hast du am frühen Nachmittag zwanzig Grad, und sobald die Sonne hinter den Hügeln Feierabend gemacht hat, fällt die Quecksilbersäule in bloß zwei Stunden um eben jene zwanzig Grad.
Also kann man im Winter durchaus Pflanzen in den Garten setzen. Es ist auch eine gute Zeit, um Bäume einzugraben. Dabei wird man vom würzigen Rauch diverser Feuer umwabert, denn selbstverständlich kannst du auch nur jetzt Laub und kahle Äste verbrennen, ab März wird das zu trocken und zu waldbrandgefährlich. („Kann“ man Laub und Äste verbrennen, nicht „darf“ - eigentlich müssen wir Grünabfälle nämlich auch auf der Kippe, wie es so schön heißt, „entsorgen“. Das, hey, das ist Frankreich!, das tut natürlich kein Schwein. Und neulich waren bei einem unserer Nachbarn – einem Schafhirten seit Menschengedenken, ein Landmann wie aus dem Lehrbuch – tatsächlich zwei Gendarmen, die ihm einen ordentlichen Strafzettel verpasst haben, weil er mitten auf einer Weide ein nicht deklariertes Freudenfeuer entzündet hatte.)



Also, ich gehe nachher in den Garten, Blumenzwiebeln eingraben für's nächste Frühjahr. Und dann Kaminholz hacken für den nächsten frostkalten Abend. In diesem Sinne: Joyeux Noël!