Freitag, 11. März 2022

Nimes, Musée de la Romanité und anderer alter Krempel

Sprechen wir doch mal über Nîmes. Immer wenn ich das tue, kommt nicht so häufig vor, holt irgendjemand irgendwo tief Luft, verzieht das Gesicht zur überlegen lächelnden Grimasse und... Genau, ist mir auch klar: Nîmes liegt nicht in der Provence, sondern im Département Gard, Région Languedoc-Roussillon, also gewissermaßen auf der Schäl Sick der Rhône. Aber was den alten Römern egal war, kann mir auch egal sein, ich bin gerne da.





Neulich haben wir uns zum Beispiel mit Freunden das neue – beinahe neue, doch gewisse virale Ereignisse haben frühere Besuchstermine versenkt – Musée de la Romanité besucht. Gar nicht so leicht zu übersetzen, ich würde es mit „Museum der römischen Zivilisation“ versuchen. „Romanité“ klingt wahrscheinlich irgendwie woker als die gute alte „Antiquité“, die, wiewohl weiblichen Geschlechts, vermutlich inzwischen als Erfindung alter weißer Männer gilt. (Und ist übrigens irreführend: Neben den Römern geht’s hier auch um Steinzeit, Kelten, Mittelalter, frühe Neuzeit... Inklusion geht anders, oh well.)

https://museedelaromanite.fr/de/

 Na, jedenfalls ist dieses Museum ein Klotz direkt neben dem berühmten Amphitheater der Stadt. Das Gebäude ist mit einer Metallfassade verkleidet, die wirkt wie eine Plastikplane vor einem Baugerüst, die sich der Mistral mal so richtig zur Brust genommen hat. Man muss ja nicht die Antike, pardon: Romanité kopieren, wenn man in Nîmes einen Neubau hinsetzt, aber muss es denn gleich so schräg sein? Eins ist sicher: Der Architekt ist nicht der Typ, der diese Fassade von außen regelmäßig von Taubendreck und Dieselruß befreien muss.





Innen ist es aber toll, wirklich: klar, hell, sehr gut gegliedert, fein präsentiert, informativ. In Nîmes und Umgebung sind über die Jahre schöne Mosaiken, Statuen überhaupt altes Zeugs ausgegraben worden, bei dem ein Ant.... Romanité-Nerd wie ich leuchtende Kinderaugen kriegt. (Und fotografieren darf man auch!)

Und das Beste zum Schluss, ganz oben nämlich: Ein irgendwie-Zen-mäßiger Dachgarten mit Blick auf die Arena und die ganze Stadt. Und mittendrin ein Restaurant mit eben jenem Blick: La Table du 2. (Der Name erklärt sich, wenn man da ist, versprochen.)

http://latabledu2.com/





Neben dem Amphitheater erhebt sich übrigens der imposante Justizpalast, der in einem weniger woken Jahrhundert gnadenlos der Antike nachempfunden worden war: ein Tempel der Gerechtigkeit, und wehe, du kommst hier nicht als Priester rein, sondern als Opfertier! (Siehe Bild außen versus Bild innen aus einer Zelle, in der Angeklagte auf den Prozess warten müssen.)








Ich habe hier schon ein, zwei Verhandlungen verfolgt, Mord, Vergewaltigung, solche Sachen – ist für einen Krimi-Autoren echt lehrreich, und wenn so eine Verhandlung vorüber ist, dann beschleicht einen das Gefühl, dass die Amerikaner doch recht haben. Die Welt ist schlecht, die Mitmenschen sind mies, es ist besser, man bewaffnet sich. (Tief durchatmen, Gesicht verziehen? War ein Scherz, mon Dieu.)

Die Gassen der Altstadt hinter Amphitheater und Justizpalast sind wundervoll und stecken voller Details. Keine Angst, die werde ich nicht alle nennen, die stehen eh in jedem Reiseführer oder bei Google. Nur das: Ich habe hier einen Kebab-Imbiss mit einem Namen gefunden, bei dem man einfach untergehen muss:




Und ich habe gelernt, dass der Ausdruck „die Fresse polieren“ auch niedlich sein kann. Auf einem Brunnen flätzt sich ein Krokodil (das Wappentier von Nîmes), dessen, nun ja, Schnauzenspitze von liebevollen Händen wie Gold poliert worden ist.

Das ist doch mal Tierliebe.