Dienstag, 28. September 2021

Der Himmel über der Provence, mal wieder

Ein gerissenes Drahtseil und ein Australischer Hütehund sorgen dafür, dass ich mal wieder in den Himmel gucke und staune. Die Geschichte geht so: Seit ein paar Jahren jogge ich mit besagtem Hund, der auf den Namen Orson hört, morgens durch den Wald hinter unserem Haus. Danach setze ich mich noch auf eine Maschine, um ein paar Eisen zu stemmen. Nun hat bei besagtem Kraftgerät besagtes Drahtseil den Geist aufgegeben, und damit hat die Maschine insgesamt leider die Ewigen Jagdgründe erreicht. Als Ersatz habe ich mir ein Rudergerät besorgt. Damit kann ich nun jedoch so mörderisch anstrengende Programme durchziehen, dass ich davor nicht auch noch joggen will. Da Orson aber tun muss, was ein Hund tun muss, gehe ich halt nun die Runde, die Hund und Herrchen zuvor gehechelt sind.

Und siehe: Mich hat der Himmel wieder!





Denn statt keuchend nach vorne zu starren, damit ich mich nicht in vollem Lauf auf irgendeiner Pinienwurzel zerlege, habe ich nun die Muße, mir das große Blau anzusehen. Meist ist es kurz nach sieben Uhr, ich bin so allein im Dschungel wie der selige Bernhard Grzimek (Meine Generation erinnert sich, die Jüngeren dürfen gerne googeln.) und jedes Mal wieder haut es mich beinahe um, wenn ich mir das Schauspiel über mir anschaue.

Ehrenwort: Ich kenne die Provence jetzt seit mehr als dreißig Jahren, ich lebe im neunten Jahr hier, und nie, aber auch nie sieht man hier zweimal denselben Himmel. (D'accord, eine Übertreibung à la Marseille: Bei Mistral war das Dach über mir vor dreißig Jahren makellos blau und ist es auch immer noch. Aber, putain, zum Glück weht's ja nicht immer mit 10 Beaufort aus Norden!)

Also, Wolken: Manchmal schweben riesige Fächer über das Firmament, manchmal sind's feine Schleier. Es gibt Wolken, die sind schwarzgrau wie verlorene Rauchfahnen aus dem vierten Schornstein der Titanic (das war ein Insider), während der Rest des Himmel blitzsauber glänzt. Andere Wolken wirken, als trügen sie nicht Wasser in sich, sondern Feuer, so glühen sie.





Überhaupt glüht der Himmel, rot, orange, rosa, violett, was du willst. Aus dem Boden wabert Nebel auf, dass Tolkien seine Freude hätte. Und ein paar Minuten später, Orson markiert gerade den nächsten Baum, sieht der Himmel schon wieder total anders aus. Als wäre man auf einen anderen Planeten gebeamt worden, mit anderen Wolken und einer anderen Sonne. Irre.

Und während Orson dann k..., genau, ziehe ich mein Handy und knipse wie ein asiatischer Tourist in der Gegend herum. Sonnenaufgänge! Nebel! Caspar David Friedrich auf Google Pixel. Geht's noch kitschiger? Nö – macht aber ungeheuer viel Spaß...





Ich will nicht das letzte Jahrtausend wiederbeleben und so eine Art virtuellen Dia-Abend veranstalten, respektive die Speicher dieser Welt mit zahllosen Fotos zumüllen. Hier also nur drei Bildchen, damit man eine Ahnung davon bekommt, was für ein Breitwandkino ich jeden Morgen zu sehen kriege – und dafür muss ich bloß hinters Haus gehen.


P.S.: Nein, ich habe keine Filter oder andere digitale Tricks in die Aufnahmen reingezogen. Handy-Schnappschuss im Automatikmodus, dann rauf auf den Computer, nix sonst. Reicht vollkommen.