Dienstag, 15. Mai 2018

Dunkles Arles


Es freut mich doch sehr, dass am 22. Mai Capitaine Roger Blanc zum fünften Mal auf Verbrecherjagd geht - wenn auch höchst unfreiwillig und ziemlich illegal. Denn eigentlich hat er im „Dunklen Arles“ nichts verloren, aber er muss sich halt überall eine blutige Nase holen. Arles ist eine Stadt mit mehr als 50 000 Bürgern, da ermittelt die Police nationale, und ein Gendarm darf sich im Schatten des antiken Amphitheaters gehackt legen, wenn es nach den Polizisten ginge. Aber genau deshalb trifft sich Blanc in dieser Arena zum heimlichen Rendezvous und da fällt ihm ein Toter vor die Füße und Aveline wird auch beinahe ermordet und ... na ja. Man kann sein Leben unkomplizierter leben als Roger Blanc, aber dann kommt man vielleicht nie in die Provence und lernt niemals eine so aufregende Frau kennen wie Aveline.





Blanc und Aveline jedenfalls haben plötzlich bloß ein rasend zusammenschrumpfendes Wochenende Zeit, um einen verflucht brutalen Mörder zu jagen – einen Mörder, der wiederum sie jagt. Und so liefern sie sich ein tödliches Duell zwischen dunklen Mauern und der grau-schaumigen Rhône, und über allem dräut ein regensatter Novemberhimmel. (Mais oui, Regen, November – die Provence liegt nicht in den Tropen, wir haben hier richtige Jahreszeiten und der November ist nicht gerade der Traummonat und gerade deshalb finde ich es toll, mal einen Krimi im finstersten Herbst spielen zu lassen. Ist vielleicht mein Hamburger Erbe, an der Elbe ist es ja im Juli so wie in der Provence im November.)




Arles, das findet Blanc zu seinem Leidwesen und mit schmerzendem Leib rasch heraus, ist das ideale Setting, um sich von Bösewichten fertigmachen zu lassen: labyrinthische antike Ruinen (manche auch noch, putain, tief unter der Erde und so lichtlos wie die Hölle), mysteriöse mittelalterliche Klöster wie aus einem durchgeknallten Fantasy-Epos, vergessene Friedhöfe, dunkle Passagen und stille Gassen, in denen du ganz alleine bist, wenn du stirbst.



Doch mittendrin leben hippe Fotografen und Galeristen, genialische Archäologen, angesagte Köchinnen und, eh bien, modisch perfekt ausgestattete und anabolisch perfekt gedopte Arschlöcher. Blut fließt durch die Gassen von Arles und zwar aus mehr als einem Körper. Blanc und Aveline werden zu Einbrechern und Dieben und schießen mit unregistrierten Waffen um sich und unerbittlich tickt dabei die Uhr die kostbaren Minuten weg...



Ich will ja nicht so blöd sein und ausgerechnet für mein eigenes Buch einen Spoiler liefern, doch eine winzige Ergänzung sei mir hoffentlich gestattet: Zu den Bösen gehören hier auch ein paar Nasen aus der Identitären Bewegung, die ja auch in Deutschland ihr Unwesen treibt – die aber, Gott sei's geklagt, in Südfrankreich ihren Ursprung und wohl ihre stärkste Basis hat. Im Roman sind Blanc & Co. fassungslos, dass diese Typen vollkommen unbehelligt auf Facebook und anderen Seiten hetzen können. Im echten Leben hat sich das Anfang Mai endlich, endlich geändert: Facebook hat die Seite der „Génération Identitaire“ wegen „discours incitant à la haine“ ausgeknippst. Es gibt ihn noch, den Fortschritt in dieser Welt.



Ob er jedoch Blanc und Aveline nützt? Die beiden müssen sich, ganz am Ende, in der einsamsten und finstersten Ecke von ganz Arles einem düsteren Killer stellen – in einer Ecke, die übrigens tagsüber jedermann ganz legal und ohne mörderische Drohung ebenfalls besuchen kann. Alors, nur zu: für den eigenen Showdown in Arles – vielleicht im nächsten November?



Und hier findet die geneigte Leserin, der geneigte Leser ein Interview über den Roman und Capitaine Blanc in seiner Schlechthinnigkeit:

http://www.dumont-buchverlag.de/verlag/aktuelles/detail/interview-mit-cay-rademacher/

PS: Es gibt auch ein paar schräge Stellen in Arles, an denen Aveline und Blanc vorüber eilen. Wer mag, der darf sie gerne wiederfinden, im Text oder in echt: