Wenn
Du Spargel essen willst - richtig guten Spargel, dessen Geschmack auf
Deiner Zunge explodiert wie ein sensorischer Knallfrosch -, dann hast
Du in der Provence genau einen Tag Zeit. „Wenn der Spargel reif
ist, muss man am Samstag gehen, denn am Sonntag ist er weg“,
behauptet eine Bekannte. Denn hier wächst der Spargel wild und in
den Wäldern, unter mediterranen Eichen und Pinien.
In
den Wäldern, nur wenige Schritte neben dem Haus, lernt der
Großstädter mühsam wieder sehen und schmecken. Denn Rosmarin
wächst dort beispielsweise im Überfluss, Thymian oder Fenchel. Aus
Felsspalten und Mauerrissen wuchern Feigen, deren mürbe,
blauviolette Früchte im Sommer, wenn sie reif sind, dem Sammler
buchstäblich in die Hand fallen. Im Oktober und November drängen
Pfifferlinge aus dem Wurzelgeflecht der Eichen heraus. Man muss das
alles bloß sehen können...
Spargel
ist ein schüchterneres Gewächs. Die Pflanze breitet ihre
feinblättrigen, dünnen Zweige, die fast wie grüne Pfauenfedern
aussehen, nur wenige Handbreit, bestenfalls armlang zwischen anderem
Gesträuch am Boden aus. Und nur auf trockenem, steinigen Boden. Und
nur dort, wo auf winzigen Lichtungen oder unter Lücken im Geäst die
meiste Zeit des Tages die Sonne direkt auf sie scheint. Hat man ein
Exemplar entdeckt, muss man tief Richtung Erdboden tauchen: Denn
manchmal, manchmal (!) wächst wenige Zentimeter neben ihr ein neuer
Trieb heraus: kaum bleistiftdünn, mehr oder weniger gerade,
blattlos, bekrönt von der typischen Spargelspitze, nur eben winzig
klein.
Diese
Spitze, leicht abzubrechen oder abzuschneiden, ist der Lohn des
Sammlers. Was ihr an Volumen fehlt, macht sie in Geschmack mehr als
gut. Nur - finde erst einmal eine! Es ist wie beim Pilzesuchen. Nach
einiger Zeit bekommt man einen Blick für vielversprechende Stellen,
für typische Formen. Allerdings ist die Spargelpracht rascher
vergangen als die der Pilze: Mitte März kommen diese Triebe hervor,
am ersten Wochenende, wenn es so weit ist, streifen Kenner durch den
Wald. Am Sonntag findest Du nur noch fedrige Pflanzen - und geköpfte
Minitriebe.
Wer
aber rechtzeitig im Wald ist, wird zum Spargelstecher provenzalischer
Art.
Ach
ja, ein Rezept: Rührei schlagen, die Wildspargelspitzen in die
Mischung geben, das ganze zum Omelette braten. Dazu Baguette und ein
Glas Rosé. Gibt keinen Michelin-Stern, aber man möchte beinahe
sterben vor Glück.
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