Brummend
wie eine träge Hornisse fliegt ein plumpes, gelbrotes Wasserflugzeug dicht über unseren Segler hinweg und sinkt wenige
Bootslängen weiter auf die vom Mistral aufgeschäumten Wellen.
Propeller wirbeln weiße Gischtvorhänge hoch. Die Maschine berührt
bloß die Wasseroberfläche, rast, Schleier zu beiden Seiten
aufwerfend, einige Hundert Meter über die Wogen. Dann quält sie
sich mit brüllenden Motoren wieder Handbreit für Handbreit in die
Luft - und gleitet schließlich mit knapper Not über die Hügel bei
Miramas-le-Vieux. Das Ziel des Piloten ist ein Feuer irgendwo im
Norden, von dem dünne, schwarzbraune, bitter riechende Rauchschleier
bis zu uns wehen.
Bienvenue,
Canadair!
Wir
segeln an einem Sommerabend über den Étang de Berre. Der scharfe
Nordwind hat den Himmel blaugewaschen. Als wir am Westufer bei Istres
ankern, röhrt plötzlich jenes auffällige Wasserflugzeug heran, das
alle hier bloß le Canadair nennen – die spektakulärste
Waffe der französischen Feuerwehr im Kampf gegen die sommerlichen
Waldbrände.
Dem
ersten Löschflugzeug folgen, in jeweils wenigen Sekunden Abstand,
sechs weitere, die sich in engen Kurven wie massige Raubvögel auf
den Étang stürzen und in den wenigen Augenblicken, die sie über
die Wogen rasen, je sechs Tonnen Wasser in ihre Rümpfe saugen.
Sommerzeit
ist Feuerzeit in der Provence. Ölreiche Pinien und Zypressen,
trockene Eichen, Garriguegestrüpp, so spröde wie Zunder, dazu ein
Mistral, der zwölf Stunden intensives Sonnenlicht mit Böen vereint,
die Deutschlands Autobahnrichtgeschwindigkeit erreichen können -
wenn es ein ideales Rezept für einen Waldbrand gibt, dann ist es
das. Eine weggeworfene Zigarette, ja eine achtlos „entsorgte“
Flasche, die unter diesen Bedingungen als Brennglas wirkt, reichen
aus, um etliche Hektar, um ganze Naturschutzgebiete in Landschaften
zu verwandeln, die aussehen, als hätten die Amerikaner hier Napalm
auf den Vietcong geworfen. (Ganz zu schweigen von den connards,
die Matratzen im Dickicht verbrennen, um sich den Weg zur Müllkippe
zu sparen. Die ihren Porsche Cayenne abfackeln, weil sie die
Versicherung dafür nicht mehr zahlen können und sich schadlos
halten wollen. Die...)
In
den heißen Monaten stehen die Feuerwehrwagen nicht in den Wachen,
sondern im Wald, an verkehrsgünstigen Stellen, dort, wo sich
mehrere Routes Départementales kreuzen. Die pompiers rasten
in voller Montur unter den Zweigen, spielen Boule, dösen, essen,
eine Idylle … Bis der Alarm kommt, von irgendwo her. Jedes Jahr
brennt es, mal mehr, mal weniger. Im Juli und August dürfen Wanderer
nicht mehr auf die Wege, zu gefährlich für den Wald (falls sie sich
wie connards benehmen), zu gefährlich für sie selbst - falls
erst einmal ein Feuer entfacht ist, das im Mistral schneller rast,
als ein Mensch laufen könnte.
Die
spektakulärste Eingreiftruppe stellt das gute halbe Dutzend
Canadairs, seit vier Jahrzehnten der Stolz der Feuerwehr. Die Piloten
starten vom nahen Flughafen Marseille-Provence aus, füllen ihre
Tanks im nebenan glitzernden Étang de Berre, dann rasen sie im
Tiefflug zum Brandherd und kippen ihre Ladung ab - wie Bomber aus dem
Zweiten Weltkrieg, nur dass hier Rettung und nicht Zerstörung aus
dem Himmel regnet.
Manchmal
kehrt die Staffel nur ein-, zweimal zum Nachtanken zurück, dann ist
der Brand bezwungen. Manchmal verdunkeln die Schatten der Canadairs
Stunde um Stunde die Ufer des Étangs. Die Piloten müssen nicht nur
waghalsig und geschickt sein, sie müssen sich konzentrieren können
wie ein Herzchirurg und ausdauernd sein wie ein Preisboxer. Seit
Jahren ist keine Maschine mehr abgestürzt.
Demnächst
wird die Staffel verlegt, nach Nîmes, gegen den heftigen Widerstand
aller lokalen Bürgermeister und Würdenträger. Aber auf dem
Flughafen Marseille-Provence will man ausbauen, Profit siegt wieder
einmal über Sicherheit. Denn von Nîmes aus werden die schwerfällig
wirkenden Canadairs einige Minuten mehr benötigen, um den Étang de
Berre zum Auftanken zu erreichen. Das mag sich nicht nach viel
anhören - aber wenn du den Rauch im Mund schmeckst und der Mistral
wütet, dann zählst du die Sekunden.
P.S.:
Bislang war ich mit dem Boot zufällig immer in Ufernähe, wenn die
Canadairs zu ihren Sturzflügen ansetzten. Ich frage mich, was
passiert, wenn ich mal mitten auf dem Étang de Berre kreuze und die
gelbroten Riesenhornissen plötzlich dicht über die Hügelkante
brummen...
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