Freitag, 6. November 2020

Olivenernte im November

 November ist Erntezeit, da sind die Früchtchen endlich reif – zumindest die Oliven. Die wechseln gerade chamäleonartig von grün zu schwarz. Oder eher hin zu glänzend lila und, nun ja, welche Überraschung, dunkel-oliv. Sind sie noch grün, so sind sie gewissermaßen frühreif, man kann sie durchaus ernten und, zum Beispiel, einlegen. Je dunkler sie dann werden, desto reifer sind sie.





In der Nachbarschaft haben Bauern und Privatleute wunderbare Haine angelegt, wo Dutzende, manchmal Hunderte Bäume ihre knorrigen Kronen in nur zwei, drei Meter Höhe (da kann man sie gut abernten) über den sauber geharkten, rötlich-krümeligen Boden wölben. Erntehelfer – mais oui, oft aus dem Maghreb oder Osteuropa und scheiß auf das Coronavirus – legen große, kreisrunde Kunststoffnetze um jeden Baum aus. Mit langstieligen Harken kratzen und schütteln sie die Oliven von den Zweigen, sie fallen auf das Netz und werden am Ende einfach eingetütet, indem man das Netz zusammenzieht. Jeder Baum trägt Hunderte Früchte – allerdings nur jedes zweite Jahr. Pro Hain kommen da trotzdem schnell ganze Lastwagenladungen voll Oliven zusammen.

Bei uns hat vor einigen Jahren ein Pilz alle Platanen in die Ewigen Platanengründe geschickt. (siehe hier: https://provencebriefe.blogspot.com/2014/10/imherbst-fallen-anderswo-die-blatter.html) Seither haben wir Zypressen und, eben, Olivenbäume gepflanzt, die passen eh besser in die Provence. Für uns lohnen sich weder Bodennetze noch marokkanische Erntehelfer. Wir haben unsere Mini-Ernte an einem Novembernachmittag eingebracht. Anfangs war es hell und sonnig, am Ende musste ich im Dämmerlicht nach den Dingern tasten, und frisch wurde es auch.

Viele Oliven konnte ich mit ausgestrecktem Arm pflücken. (Okay, ich bin ein bisschen über einsneunzig groß, das hilft.) Für den ziemlich üppigen Rest haben wir dann die Leiter genommen und sind, nun ja, irgendwie quer und längs durch die überraschend dicht zugewucherten Kronen getaucht, um an die Oliven zu kommen. So ein Olivenbaum ist am Stamm und den großen Ästen übrigens knorrig und hart, doch die Zweige, an denen seine Früchte wachsen, sind erstaunlich biegsam.





Die meisten Bäume waren dieses Jahr in ihrer fruchtfreien Phase: viele Blätter, no dope. Einer konnte sich nicht so richtig entscheiden, dem wuchsen ein paar Knollen hier und da. Eigentlich haben nur zwei Bäume unsere Ernte gerissen. Einer ist noch ziemlich jung und schlank, die Krone wirkt irgendwie zerzaust. Wenn man so Stunde um Stunde Oliven pflückt, entwickelt man irgendwann ein persönliches Verhältnis zum Baum. Ich habe ihn den „trächtigen Alphonse“ getauft. Oui, l'olivier ist maskulin, außerdem sind es ja doch ziemlich faltenreiche Bäume, die lassen wir mal lieber männlich. Alphonse sah von unten eher jämmerlich aus, der Kerl hatte sogar weniger Blätter als die anderen Bäume. Keine Ahnung, wie er es geschafft hat, seine Oliven so gut zu tarnen. Als ich jedenfalls erst einmal mit der Leiter in der Krone stand, hatte ich ganz schön was zu tun.







Sein Kollege, dem ich den Namen „noch trächtigerer Daudet“ gegeben habe, ist hingegen ein Baum, wie er sein soll: Zwei knarzige Stämme, die aus demselben Wurzelstock gewachsen sind, darüber eine dichte Krone, so groß wie ein Atompilz. Hier hatten wir nicht ganz schön, sondern sogar ordentlich was zu tun.

Eh bien, ordentlich... Also, bei Dunkelheit hatten wir eine Obstkiste voll zusammen, vielleicht fünf, sechs, sieben Kilo, ich weiß es noch nicht, am Ende war ich zu erschöpft und durchgefroren, um die Ernte zu wiegen.

Das holen wir aber morgen nach: Wir bringen unseren stolzen Ertrag ins Nachbardorf (dem Vorbild der Kleinstadt, in der Capitaine Roger Blancs Gendarmerie-Station steht) zu einer Kooperative. Dort geben Profis ihre Lastwagenladungen und Amateure wie wir ihre Kisten ab, alles kommt in die Ölmühle – und am Ende, vermutlich irgendwann im Dezember (bei der Seuche ist kein Termin mehr sicher) erhalten wir gemäß unserer abgelieferten Menge das frisch gepresste Olivenöl der Saison. Bei unserer Ernte, schätze ich, werden wir etwa einen Liter heimtragen dürfen, vielleicht etwas mehr. Gar nicht so schlecht für den trächtigen Alphonse und den noch trächtigeren Daudet, und mal sehen, was die Kollegen im nächsten November auf die Reihe kriegen.


Nach der Kooperative: ein Nachmittag Arbeit, zwei Bäume, fünf Kilogramm Oliven - da ist noch Luft nach oben... 


2 Kommentare:

  1. Bei uns hat vor einigen Jahren ein Pils alle Platanen in die Ewigen Platanengründe geschickt.

    Tatsächlich. Dann würde ich auf Rosé umsteigen. Santé 😉

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    1. Das war doch mal ein toller Tippfehler... Danke für den Hinweis und, ja, Rosé ist besser als Pils!

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