Dieser
Dezember ist bei uns vor allem eins: feucht. Normalerweise können
wir hier ja etwa Weihnachten mittags gerne draußen essen, in dickem
Pullover und mit Sonnenbrille auf der Nase. Die Alternative: Manchmal
fällt ungefähr ein halber Zentimeter Schnee, dann kollabiert in der
Provence gleich das öffentliche Leben. Nichts geht mehr, und das ist
über die Feiertage doch auch recht schön. („Nichts geht mehr!“
funktioniert auch dieses Jahr zu Weihnachten und Silvester, das hat
aber nichts mit dem Wetter zu tun: Halb Frankreich streikt, der eine
oder andere wird vielleicht schon Bilder in den Nachrichten gesehen
haben. Der neueste Gag: Streikende der Gewerkschaft CGT schalten
Städten und ganzen Regionen den Strom ab, Blackout als Mittel des
Protests. Typen, die sich darüber aufregen, dass sie nach der Reform
nicht mehr mit 52 Jahren in Rente gehen können, knipsen mitten im
Winter Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten und Altenheimen für
vier bis acht Stunden den Saft ab – man muss halt Prioritäten
setzen.)
Na,
jedenfalls, jetzt das Wetter: Also Regen. Kennt man ja eigentlich als
ehemaliger Hamburger, kann man gelassen sehen. Das erste Problem ist,
dass diesen Winter im Midi an einem Tag so viel Regen fällt wie
sonst in einem Monat. Das zweite Problem: Wir haben inzwischen
mehrerer solcher Regentage im Monat...
Das
hat, erklären Meteorologen, irgendwie auch mit dem Klimawandel zu
tun, was irgendwie niemanden mehr überrascht. Höhere Temperaturen
bedeuten mehr Verdunstung über dem Mittelmeer, mehr feuchte Luft,
mehr Wolken, die gegen Alpen und Alpilles gedrückt werden und sich
dort ordentlich erleichtern. Die Folge: Land unter.
Die
Touloubre, ein simpler Bach, der an unserem Grundstück entlang
mäandert, verwandelt sich in eine Art Seenplatte mit eingebauter
Strömung. Zuerst transformieren sich die Wälder im Tal in
Mangroven. Dann haben wir erdbraunes Wasser (und, ja, darin
treibenden Plastikmüll) auf der Wiese. Schließlich schauen die
Fluten bei unserem Nachbarn am gegenüberliegenden, zu unserem Glück
und ihrem Pech tieferliegenden Ufer vorbei und sagen im Wohnzimmer
fröhlich glucksend „Bonjour!“, ein paar Zentimeter hoch.
Eine
kleine Brücke, die bei uns im Wald sonst über das Wasser führt,
liegt plötzlich unter
Wasser. Der eigentlich so harmlose Bach spült glatt drüber weg, man
staunt bloß, wenn man daneben steht – so lange man noch daneben
stehen kann, als es weiter steigt, muss man sich nämlich in
Sicherheit bringen.
Apropos
in Sicherheit bringen: Bei so einem Regen zieht sich der Norddeutsche
die Funktionsjacke an und geht mit dem Hund Gassi. In Südfrankreich
sterben ein Dutzend Menschen. Warum? Ein, zwei Opfer haben schlicht
verdammtes Pech: Sie werden überrascht, stürzen unglücklich in den
Fluten, oder sind gebrechlich und also hilflos, wenn das Wasser
kommt. Die meisten sterben allerdings im, durch und wegen … ihres
Autos. Manche fahren zum Beispiel mitten während der Sintflut auf
kleinen Landstraßen neben besagten Bächen her, die sich leider
jedoch in kürzester Zeit in Monster verwandeln können. In
Südfrankreich sind schon Autos mitsamt Fahrern neben einem Flusslauf
verschollen – und im Mittelmeer wiedergefunden worden, buchstäblich
bis auf die offene See hinausgespült.
Andere
versuchen, mit ihrem Wagen Unterführungen zu durchqueren, die sich
für alle Augenzeugen (nur offenbar nicht den Fahrer selbst)
erkennbar in Tauchbecken verwandelt haben. Wieder andere wollen ihre
geliebten Vierradler retten und stürzen sich in Tiefgaragen, während
draußen der Tsunami kommt.
Klingt
nach Kandidaten für den Darwin-Award? Sie dürfen spotten, ich
nicht: Bei einem Gewitter bin ich mal nachts, es war wohl drei oder
vier Uhr, aufgewacht, und mein erster Gedanke war: Putain,
die Karre steht noch unten auf der Wiese! Also bin ich in nicht
hundertprozentig der Situation angemessener Kleidung durch die Fluten
der Hölle runter getaumelt und habe meinen eigentlich schon im
französischen Rentenalter befindlichen Chrysler angeworfen. Ich war
nicht allein. Mein Schwager hat sich im Pyjama und mit Heldenmut in
seinen Wagen geschmissen. Wir haben es so gerade mit unseren
Personenkraftwagen bis zum rettenden Ufer geschafft. Wäre ich ein
bisschen später aufgewacht, ich könnte diese Zeilen heute wohl
nicht schreiben. Nenn mich Evolutionsnull, Mann!
In
diesem Sinne: Feiern Sie fröhlich und, wenn es sein muss, feiern Sie
feucht! Aber dabei immer an Darwin denken...
P.S.:
Den Chrysler, für den ich meinen Allerwertesten riskiert habe, haben
wir bald darauf übrigens verschrottet.
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