Gibt
es einen grausameren Tod als den mit achtzehn Jahren – genau dann,
wenn man schon vom Leben geschmeckt, das Leben aber eigentlich noch
nicht richtig begonnen hat? Gibt es einen grausameren Schauplatz für
einen Mord als eine stille Bucht am Mittelmeer – wo doch Ozean,
Fels und Licht die Ewigkeit versprechen? Genau dieses grausame
Schicksal ereilt den gerade erwachsen gewordenen Michael Schiller in
einer Sommernacht des Jahres 1984: Er wird in einer dunklen Bucht des
entlegenen provenzalischen Fischerdorfes Méjean erschlagen.
Niemand
weiß, wer den deutschen Abiturienten, der an der Côte
Bleue mit fünf Freunden Urlaub macht, getötet hat. Einer der
Freunde? Einer der wenigen Dorfbewohner? Niemand kennt auch nur ein
mögliches Motiv für so eine unfassbare Tat.
Dreißig
Jahre lang.
Doch
eines Sommertages hält jeder der alten Schulfreunde von einst einen
anonymen Erpresserbrief in Händen: Alle müssen nach Méjean
zurückkehren, dann wird man Michaels Mörder endlich enttarnen...
Auch
beim schwer kranken Commissaire Renard in Marseille geht eine anonyme
Anzeige ein. Also macht er sich auf, in einem mörderisch heißen
Sommer an die Côte
Bleue – wo er tatsächlich auf all die Opfer, Zeugen, Mitwisser
eines dreißig Jahre zurückliegenden Verbrechens trifft. Und wo sich das
namenlose Schreiben, das halb Versprechen, halb Drohung ist,
tatsächlich erfüllt: Renard wird Michaels Mörder gegenüberstehen.
Michael
Schiller und die zwei Jungen und drei Mädchen seiner Abiturclique
sind erfunden, genauso wie der Fischer, der Patron und die Kellnerin
des einzigen Restaurants, wie die alten Sommergäste und die
verschlossene junge Taucherin an der Côte
Bleue. Doch diesen schönen, schroffen, Kräfte zehrenden Ort Méjean
habe ich kennengelernt, als ich kaum älter war als Michael Schiller.
Ich
habe im „Orwell-Jahr“ 1984 Abitur gemacht. Nein, ich bin nie mit
einer Clique direkt nach dem Abitur gen Süden gebraust und, nein, die
tragischen jungen und dann dreißig Jahre älteren Helden hier sind deshalb auch keine schlecht getarnten Abziehbilder realer alter Klassenkameraden,
sondern so fiktiv, wie dieser ganze Mordfall fiktiv ist.
Aber
vielleicht hätte ich 1984 mit Freunden eine Abschiedsreise machen
sollen... Nach dem Abitur, da studiert man, geht in die Lehre, jobbt,
macht irgendwas, bloß die Schule, dieses behütete Reservat, besucht man nicht mehr. Es geht hinaus in die freie Wildbahn – wo die
unendlichen Weiten von tausend Chancen warten. Und wo die Raubtiere
lauern.
Jedenfalls
lernt man neue Menschen kennen, neue Orte, manchmal sogar neue
Länder, und man verliert die alten Freunde aus den Augen. Wenn man
sich dann doch zufällig mal wiedersieht, sind Jahre verweht.
Unweigerlich kommt sie dann, die ebenso unschuldige wie potenziell
verheerende Frage: „Und, was machst du so?“
Was
hat man gemacht aus seinem Leben?
Diese
Frage stellt sich wohl jeder nach dreißig Jahren. Und diese Frage
stellen sich, sehr viel dringlicher noch, die fünf Protagonisten des
Romans im Angesicht des alten Mordes: Was hast du getan?
Für
mich ist „Letzter Sommer in Méjean“, der am 17. Mai 2019
erscheint, Krimi und Kammerspiel, Mörderjagd und Psychodrama
zugleich. Versetze Menschen an einen wundervollen Ort und sperr ihnen
den Rückweg ab: schon verwandeln sie ihn in eine Hölle, denn die
Hölle bereiten wir uns selbst. Wenn dich die Sonne mürbe brennt,
wenn die Tiefen des Meeres tödliche Kälte verströmen, wenn das
Sägen der Zikaden so im Kopf dröhnt, dass du keinen klaren Gedanken
mehr fassen kannst.
Nach
und nach kocht die Hitze all die Geheimnisse aus den Menschen heraus.
Aus den fünf Freunden, die nur scheinbar perfekte Leben geführt
haben. Aus den Dorfbewohnern, die dreißig Jahre lang diesen
verlorenen Ort nicht verlassen haben. Bis all diese verdrängten
Geschichten, wenn die Hitze unerträglich geworden ist, wie eine
Bombe explodiert.
„Letzter
Sommer in Méjean“ ist trotz allem, natürlich, eine Hommage an
meine Generation und an genau diesen Ort. Es würde mich freuen, wenn
Sie mein Staunen und meine Begeisterung, meine Sympathie und meinen
gelegentlichen Schrecken für diese Menschen und diesen Flecken Erde
mit mir teilten.
P.S.:
Capitaine Roger Blanc hat übrigens ganz und gar keine Auszeit
genommen: Am 16. September 2019 erscheint sein sechster Fall:
„Verhängnisvolles Calès“. Er folgt dort den Spuren eines sehr
alten Toten und einer sehr jungen Entführten – während die
Provence in Kälte und Weihnachten versinkt.
Meines Wissens genießen auch Landesminister/innen Immunität. Auch in Frankreich hätte daher gegen Claudia nicht ermittelt dürfen. Macht aber dem erneut hervorragenden und spannenden Krimi keinen Abbruch. Freue mich auf Ihren neuen Krimi.
AntwortenLöschenHelmuth Wagner
Mormoiron / Albstadt
Fehlerberichtigung:
AntwortenLöschenEs hätte nicht ermittelt werden dürfen (vor Aufhebung der Immunität).
HEWA
Herzlichen Dank Herr Wagner! Ich bin kein Jurist, aber wenn ich mich recht erinnere, genießen in Deutschland der Bundespräsident und die Bundes- und Landtagsabgeordneten politische Immunität - nicht jedoch Kanzler und Minister. Die sind oft nur deshalb geschützt, weil sie auch noch Abgeordnete sind. Ist jemand jedoch ausschließlich Minister/in, dann gilt die Immunität nicht. Mit besten Grüßen aus dem Süden, Cay Rademacher
AntwortenLöschenBon jour, Herr Rademacher!
AntwortenLöschenIhren Roman "Ein letzter Sommer in Méjean" habe ich förmlich verschlungen. Wie den verführerischen Inhalt einer Schachtel Pralinen, die einen bei jedem Griff in Versuchung führt - nämlich alles auf einmal zu verputzen. Und dann dieses unerwartete, so schlimme Ende! Obwohl ich gestehen muss, dass ich gelegentlich (aber nur ganz gelegentlich) eine solch kranke Wendung der Ereignisse vermutet habe. Gerne würde ich dem melancholischen Monsieur le Commissaire in einem Ihrer weiteren Bücher wieder begegnen ...
Jetzt gönne ich mir erstmal eine erneute Lektüre Ihrer ersten fünf Bücher mit Capitaine Blanc. Bevor ich mich in das "verhängnisvolle Calès" wage. Ich freue mich schon auf den Urlaub im Kopf - im tristen Novemberwetter die ideale Lektüre!
Viele Grüße vom Niederrhein
Jutta Meise
Liebe Frau Meise,
AntwortenLöschenherzlichen Dank! Ich denke mir schon die nächsten Geschichten aus und hoffe, dass sie Ihnen ebenso gefallen werden. Beste Grüße aus dem Süden, Ihr Cay Rademacher