Donnerstag, 28. Februar 2019

Kein Anschluss in der Provence


Hier hat vielleicht nicht jeder eine lange Leitung, aber man muss lange warten auf eine Leitung. Das war doch jetzt mal ein Kalauer... Nicht verstanden? Macht nichts, ich hab's auch erst so nach und nach realisiert, als ich in die Provence gezogen bin. Die Geschichte geht nämlich so: Wir wohnen in einer ehemaligen Ölmühle aus dem 18. Jahrhundert, in einem Dorf mit vielleicht dreißig Häusern, die alle in derselben Jahrgangsstufe auf der Schule waren. Super malerisch. Super alt. Super charakterstark. Nur, hey, wer hat im 18. Jahrhundert an Stromleitungen gedacht? Ans Telefon oder Internet? An Wasser oder gar, mon Dieu, Abwasser?
Genau, und damit fängt die Sch... na, sagen wir: deshalb muss man hier lange auf eine Leitung warten.
Eigentlich habe ich gedacht, dass zwischen dem 18. und dem 21. Jahrhundert ausreichend Zeit verstrichen ist. Und außerdem ist die Provence doch nicht Nordkorea. Es sollte genügend Zeit und Low Tech vorhanden sein, um unser Haus an diverse Leitungen zu legen.



Nun ja, wir sind vernetzt, das kann man sofort sehen, wenn man an die Straße tritt. Unser Stromnetz ist nämlich von anno Dunnemals und sieht tatsächlich aus wie ein Netz: schwarze Kabel baumeln in knotigster Unordnung von Straßenmast zu Straßenmast, halbe Baumkronen schieben sich ins Gewirr und wirken wie Fische, die sich im Netz verfangen haben. Sobald der Mistral bläst, schwanken die Leitungen so stark, dass die Spatzen, die sich dort ausruhen wollen, das Kotzen kriegen. Bei uns zittern dann die Glühbirnen – oder brennen gleich durch, wir haben einen Verbrauch an den Dingern, das macht jeden Baumarktleiter glücklich. Und, klar, sobald es gewittert, können wir hier die Kerzen anmachen, dann ist nämlich Verdunkelung angesagt.
Hin und wieder rast auch mal ein übersportlicher Autofahrer auf den zweieinhalb Kilometern Route départementale zwischen unserem Weiler und der nächsten Kleinstadt gegen einen Strommast und knickt selbigen um. So richtig solide sind diese Pfosten leider auch nicht.
Vielleicht tragen sie einfach zu viel Last? Neben den Stromkabeln baumeln nämlich auch unsere kupfernen Telefonleitungen fröhlich im Wind. Und bei Mistral und Gewitter... Yupp.
Kupferleitungen? Gibt's das nicht längst in Glasfaser? Oui, oui, wir sollten seit 2017 verkabelt sein. Zweimal haben sie bereits besagte Landstraße aufgerissen, um am Rand Schächte zu verlegen. Vor unseren alten Häusern stehen auch moderne Plastikverteilerkästen. Nur: da ist nix drin. Kein Kabel. Niemand weiß, warum es nicht kommt. Niemand weiß, wann es denn kommt. Bis dahin haben wir Kupfer-Internet mit einem Datendurchsatz wie zu meiner Studienzeit in Amerika. Das, äh, war Anfang der Neunziger Jahre.



Dafür haben wir seit einigen Wochen – und nicht einmal anderthalb Jahre später, als von der Stadtverwaltung versprochen – fließend Wasser. Jo Mann, du machst den Wasserhahn auf und es fließt Wasser raus, geil nicht? Hatten wir nämlich bislang auch nicht. Bis dahin hatten wir unser Wasser aus fünfunddreißig Meter Tiefe heraufgeholt, mit einem Papier- und zwei Stofffiltern sowie einer UV-Lampe gereinigt und dann ins System eingespeist. Die Pumpe war ebenso elektrisch wie die UV-Lampe, und wenn dann mal Mistral oder Gewitter... genau.



Die Zuleitung vom Verteiler zum Haus ist ein bisschen abenteuerlich verlegt. Ich möchte jetzt noch nicht wissen, wie es wird, wenn wir wirklich mal richtigen Frost bekommen. Aber, hey, jetzt haben wir sauberes Wasser! Das schütten wir in uns hinein und dann muss es wieder heraus und dann, mais non! Abwasser haben wir nicht. Rein ja – raus nein. Kanalanschluss? Gibt es nicht. Kein Kanal im Dorf, kein Kanal in zweieinhalb oder drei Kilometer Umkreis.
Wir haben eine Sickergrube – wie alle Nachbarn. Und alle zwei Jahre kreuzt dann mal hier, mal dort der Tankwagen von SPGL auf und pumpt mit einem Rüssel leer, was leerzupumpen ist. Ich muss dann manchmal mit anpacken und, oh Mann, ich werde in meinem nächsten Leben garantiert nicht Klempner.
Wann wird's anders? Keine Ahnung. Ich könnte ja mal in der Mairie anrufen. Nur nicht mit dem Handy – wir leben nämlich in einem Tal, und da haben wir auch einen ganz, ganz miesen Handyempfang.

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