Hier
hat vielleicht nicht jeder eine lange Leitung, aber man muss lange
warten auf eine Leitung. Das war doch jetzt mal ein Kalauer... Nicht
verstanden? Macht nichts, ich hab's auch erst so nach und nach
realisiert, als ich in die Provence gezogen bin. Die Geschichte geht
nämlich so: Wir wohnen in einer ehemaligen Ölmühle aus dem 18.
Jahrhundert, in einem Dorf mit vielleicht dreißig Häusern, die alle
in derselben Jahrgangsstufe auf der Schule waren. Super malerisch.
Super alt. Super charakterstark. Nur, hey, wer hat im 18. Jahrhundert
an Stromleitungen gedacht? Ans Telefon oder Internet? An Wasser oder
gar, mon Dieu, Abwasser?
Genau,
und damit fängt die Sch... na, sagen wir: deshalb muss man hier
lange auf eine Leitung warten.
Eigentlich
habe ich gedacht, dass zwischen dem 18. und dem 21. Jahrhundert
ausreichend Zeit verstrichen ist. Und außerdem ist die Provence doch
nicht Nordkorea. Es sollte genügend Zeit und Low Tech vorhanden
sein, um unser Haus an diverse Leitungen zu legen.
Nun
ja, wir sind vernetzt, das kann man sofort sehen, wenn man an die
Straße tritt. Unser Stromnetz ist nämlich von anno Dunnemals und
sieht tatsächlich aus wie ein Netz: schwarze Kabel baumeln in
knotigster Unordnung von Straßenmast zu Straßenmast, halbe
Baumkronen schieben sich ins Gewirr und wirken wie Fische, die sich im
Netz verfangen haben. Sobald der Mistral bläst, schwanken die
Leitungen so stark, dass die Spatzen, die sich dort ausruhen wollen,
das Kotzen kriegen. Bei uns zittern dann die Glühbirnen – oder
brennen gleich durch, wir haben einen Verbrauch an den Dingern, das
macht jeden Baumarktleiter glücklich. Und, klar, sobald es
gewittert, können wir hier die Kerzen anmachen, dann ist nämlich
Verdunkelung angesagt.
Hin
und wieder rast auch mal ein übersportlicher Autofahrer auf den
zweieinhalb Kilometern Route départementale zwischen unserem Weiler
und der nächsten Kleinstadt gegen einen Strommast und knickt
selbigen um. So richtig solide sind diese Pfosten leider auch nicht.
Vielleicht
tragen sie einfach zu viel Last? Neben den Stromkabeln baumeln
nämlich auch unsere kupfernen Telefonleitungen fröhlich im Wind.
Und bei Mistral und Gewitter... Yupp.
Kupferleitungen?
Gibt's das nicht längst in Glasfaser? Oui, oui, wir sollten
seit 2017 verkabelt sein. Zweimal haben sie bereits besagte
Landstraße aufgerissen, um am Rand Schächte zu verlegen. Vor
unseren alten Häusern stehen auch moderne Plastikverteilerkästen.
Nur: da ist nix drin. Kein Kabel. Niemand weiß, warum es nicht
kommt. Niemand weiß, wann es denn kommt. Bis dahin haben wir
Kupfer-Internet mit einem Datendurchsatz wie zu meiner Studienzeit in
Amerika. Das, äh, war Anfang der Neunziger Jahre.
Dafür
haben wir seit einigen Wochen – und nicht einmal anderthalb Jahre
später, als von der Stadtverwaltung versprochen – fließend
Wasser. Jo Mann, du machst den Wasserhahn auf und es fließt Wasser
raus, geil nicht? Hatten wir nämlich bislang auch nicht. Bis dahin
hatten wir unser Wasser aus fünfunddreißig Meter Tiefe
heraufgeholt, mit einem Papier- und zwei Stofffiltern sowie einer
UV-Lampe gereinigt und dann ins System eingespeist. Die Pumpe war
ebenso elektrisch wie die UV-Lampe, und wenn dann mal Mistral oder
Gewitter... genau.
Die
Zuleitung vom Verteiler zum Haus ist ein bisschen abenteuerlich
verlegt. Ich möchte jetzt noch nicht wissen, wie es wird, wenn wir
wirklich mal richtigen Frost bekommen. Aber, hey, jetzt haben wir
sauberes Wasser! Das schütten wir in uns hinein und dann muss es
wieder heraus und dann, mais non! Abwasser haben wir nicht.
Rein ja – raus nein. Kanalanschluss? Gibt es nicht. Kein Kanal im
Dorf, kein Kanal in zweieinhalb oder drei Kilometer Umkreis.
Wir
haben eine Sickergrube – wie alle Nachbarn. Und alle zwei Jahre
kreuzt dann mal hier, mal dort der Tankwagen von SPGL auf und pumpt
mit einem Rüssel leer, was leerzupumpen ist. Ich muss dann manchmal
mit anpacken und, oh Mann, ich werde in meinem nächsten Leben garantiert nicht
Klempner.
Wann
wird's anders? Keine Ahnung. Ich könnte ja mal in der Mairie
anrufen. Nur nicht mit dem Handy – wir leben nämlich in einem Tal,
und da haben wir auch einen ganz, ganz miesen Handyempfang.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen