Capitaine
Roger Blanc löst seinen vierten Fall: Sein Job führt ihn an die
„Gefährliche Côte
Bleue“, die ihm anfangs geradezu beunruhigend ruhig erscheint –
und wo er am Ende beinahe sein nasses Grab findet. Der Flic aus dem
Norden und sein Kollege Marius Tonon sollen eigentlich bloß auf ein
Schiff der Regierung aufpassen, das Froschmänner zu einem geheimen Einsatz auf das Mittelmeer bringt. Es ist Oktober, die Luft schmeckt
nach Pinien, im klaren Wasser glitzern seltsame Fische und das Leben
ist schön. Doch plötzlich treibt ein unbekannter Taucher in den
Wellen, eine Harpune steckt in seinem Kopf...
Voilà,
die Côte
Bleue ist, jetzt mal extrem unseemännisch formuliert, die Küste
links und rechts vom Städtchen Sausset-les-Pins, auf halber Strecke
zwischen Camargue und Marseille. Ehrlich gesagt wusste ich lange
nicht, ob ich eine Leiche ausgerechnet dort an Capitaine Blanc
vorbeitreiben lassen will. Denn einerseits ist dieser von kleinen,
steilen Felsbuchten zerfurchte, von Pinien bekrönte,
tiefmeerblauumspülte Saum der Provence eine fantastisch schöne Ecke
auf dem Globus. Andererseits ist dieser von kleinen, steilen
Felsbuchten zerfurchte, von Pinien bekrönte, tiefmeerblauumspülte
Saum der Provence eine fantastisch schöne Ecke auf dem Globus.
Kein
Tippfehler – sondern mein Autoren-Dilemma.
Ich
war vor achtundzwanzig Jahren das erste Mal in den Calanques, so
heißen die karstigen Buchten hier, von denen ich zuvor noch nie
etwas gehört hatte. Berühmter als die Calanques der Côte
Bleue sind übrigens die Calanques östlich von Marseille, vom
gleichnamigen Nationalpark, der bei Cassis beginnt und sich ein gutes
Stück weit Richtung Côte
d'Azur hinüberwölbt.
Seither
sind wir ständig an der Côte
Bleue. In Sommern, in denen es nachts um ein Uhr noch einunddreißig
Grad heiß ist, in denen tagsüber gefühlt eine Millionen Zikaden
zwischen Piniennadeln sägen und du am Tag und in der Nacht vor Hitze
und Lärm kein Auge zumachen kannst. Im Winter, wenn sich der
Nachmittag des 1. Januar so licht und mild anfühlt wie ein
Frühsommertag und tatsächlich einige Unerschrockene ins Meer
springen. Oder, zum Beispiel, im Oktober, wenn selbst empfindsamere
Naturen noch durchs badewannenwarme Wasser plantschen und die
Temperaturen der Luft bei kreislaufunanstrengenden
Mittzwanzigergraden liegen.
Das
aber war genau mein Dilemma: Einerseits ist die Côte
Bleue ein großartiges Setting, um Capitaine Blanc Verbrecher jagen
zu lassen. Andererseits, nun ja, schreit der kleine Egoist in mir:
„Kein Wort über die Côte
Bleue! Mach diese Küste nicht bekannt! Lass sie im Windschatten der
allgemeinen Aufmerksamkeit!“ Am Ende fand ich diesen Kosmos aus
Felsen und Meer aber doch einfach zu schön – und zu bedroht,
leider. Also musste mein interner Egoist tapfer sein, und ich habe
Capitaine Blanc auf eine lange Reise durch Licht und Finsternis
geschickt.
Denn
es geht um Wracktaucher, die antike Schätze aus dem Meer holen, die
sie gar nicht einmal anrühren dürften. Um Fischer, die für ihre
Existenz kämpfen. Um Politiker, die absurd hohe Hoffnungen in die,
doch, doch, Olympischen Spiele setzen, deren Wettkämpfe hier
stattfinden sollen. Und es geht um einen alten, schrecklichen und
unfassbarerweise immer noch aktuellen und sehr, sehr realen Skandal.
D'accord,
keine Spoiler hier und also nichts mehr zum Inhalt.
Roger
Blanc entdeckt, das darf ich denn doch verraten, die Côte
Bleue an eben einem spätsommerlichen Oktobertag und er verliebt sich
sofort in sie, ohne dass er sich das zugeben will. Er riskiert seinen
Hals oder zumindest seinen Mageninhalt auf den achterbahnähnlichen
Serpentinen, den beinahe einzigen nicht-maritimen Zufahrtswegen zu diesem
Paradies. Er lernt Mangetout
schmecken. (Was das ist? Kann man googeln oder selber angeln oder an
der Côte
Bleue in einem bestimmten Restaurant im Dutzend verschlingen.) Und er
stolpert in einem Hafen zufällig über ein winziges, halb abgewracktes und mehr
oder weniger kapitänloses Segelboot, das nur ein Wahnsinniger kaufen
würde. Eh
bien, le Capitaine Roger Blanc...
Mit
diesem Seelenverkäufer verlassen Blanc und Tonon den sicheren Hafen
zu einem Duell auf Leben und Tod vor der provenzalischen Küste,
während ein apokalyptisches Gewitter heranrollt. Die Calanque des
Roches Sanglantes wird zur Arena für diesen Showdown – und DIESE
Calanque findet niemand auf Google Maps. Der Name ist erfunden, um
über eine ganz bestimmte Stelle dieser tollen Küste denn doch den
Schleier der Diskretion zu ziehen.
Am
Ende ist der lange mediterrane Sommer vorüber. Und Roger Blanc fängt
im heraufziehenden Herbst mit etwas an, das auch die Pflanzen im
heraufziehenden Herbst hier tun: Er schlägt, endlich, Wurzeln in der
Provence.
Das
ist ja auch schon anderen vor ihm so ergangen. In diesem Sinne...
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