Neues Jahr, altes Kino, und das ist gut so. Meine Frau und ich sind treue Fans des septième art, der „Siebten Kunst“, wie le cinéma hier gerne genannt wird. Mitten in Salon-de-Provence lädt ein modernes Kino mit mehreren Sälen und herrlich lümmelfreundlichem Gestühl zum Konsum von reichlich Hollywood und reichlich neuen französischen Filmen ein. In einer Gewerbesteppe nahe von Marseille dröhnt dich ein Multiplex mit IMAX und Was-hast-Du-nicht-alles-gesehen-und-gehört mit jenen Blockbustern zu, die ungefähr so lang dauern wie ein Interkontinentalflug. (Da ist es nur gerecht, dass auch die Eintrittskarte inzwischen ungefähr so viel kostet wie das Ticket eines Interkontinentalflugs.)
Es geht aber auch anders.
Hier zeigen sie neue und alte französische Produktionen rauf und runter – meine Liebste und ich begannen 2025 zum Beispiel am 3. Jänner mit Saint-Ex. Dazu kommen Filme aus MAGA sowie aus Ländern, da musst du erst einmal googeln, wo die auf dem Globus zu finden sind. Viele ausländische Streifen laufen im Original. Ich habe hier schon ein flämisches Siebziger-Jahre-Liebes-und-NS-Drama mit dem jungen Rutger Hauer genossen. (Cinephile werden es kennen, hier noch ein Tipp: Hund und Wolf kommen im Titel vor, aber, soweit ich mich erinnere, nirgendwo im Film.) Gerne denke ich auch an einen dänischen Polizeifilm zurück, in dem es wahnsinnig auf Dialoge oder, genauer genommen, Monologe ankommt. Nach zwei Stunden konnte ich mitten im Midi einen Abend lang beinahe fließend Dänisch parlieren. Super.
Manche aktuellen Werke kommen ein, zwei, drei Wochen nach ihrem Frankreichstart ins provenzalische Cinema Paradiso, andere bereits direkt in der ersten Woche. Die Wege des Filmvertriebs sind unergründlich.
Wer guckt so was?
Kleinstadt-Großerfolge wie eben Saint-Ex locken so circa dreißig Leute an. Den vermutlich heftigsten Ansturm erlebten wir bei Bohemian Rhapsody, da waren wir vielleicht hundert. Dänische Original-Thriller oder französische Problemfilme, bei denen du von der ersten Einstellung an schon weißt, wie sie ablaufen werden, locken eher einstellige Besucherrinnsale an. Meine Liebste und ich saßen auch schon mal ganz alleine im Kino. Ich weiß nicht mehr, bei welchem Film, was vermutlich der Grund dafür ist, dass niemand sonst den sehen wollte.
Warum also gehen wir immer wieder dorthin?
Weil ich die Wahnsinnigen küssen könnte, die Jahr um Jahr dieses Programm zusammenstellen und auch nur für zwei Leutchen einen Film zeigen.
Weil keine bescheuerte Werbung vor dem Film läuft.
Weil sie selbst für Hollywoodfilme nur vier Euro Eintritt verlangen.
Weil sich ein leicht altes, leicht schräges Kino anders anfühlt als Netflix.
Weil das Kunst ist – die siebte, und an manchen Abenden eben auch die erste und einzige.
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