Freitag, 4. April 2025

Glanum bei Saint-Rémy, das "Pompeji der Provence"

Bevor es zu heiß wird, empfehle ich einen Abstecher in die Antike. Glanum ist eine Stadt der Kelten, Griechen und Römer gewesen, am Nordrand der Alpilles, seit mehr als anderthalb Jahrtausenden aufgegeben, verschüttet, vor hundert Jahren von Archäologen wieder freigelegt… Klingt ein wenig nach Schliemann und Troja oder nach Pompeji und Vesuv und, eh bien, tatsächlich wird der Ort schon lange „Pompeji der Provence“ genannt, was aber nur beweist, dass die Verbreitung heißer Luft bereits vor dem Aufkommen der Influencer erfunden worden ist.






Also Glanum. Die Geschichte geht, sehr kurz gefasst, so: Es war einmal eine versteckte Quelle in einem versteckten, engen Tal in den Alpilles. Den Kelten war diese Wasserstelle in der ansonsten ziemlich schroffen und trockenen Gegend heilig, sie verehrten dort einen Quellgott namens Clan und bauten drumherum ein erstes Dorf.



Im dritten Jahrhundert vor Christus kamen die alten Griechen, die sich seit der Gründung von Massalia/Marseille in der Provence häuslich niedergelassen hatten. Sie machten aus dem Keltendorf ein schmuckes Griechenstädtchen und verwandelten den Keltengottnamen in die griechische Ortsbezeichnung Glanom. Schließlich kamen die Römer, verprügelten die Griechen, und weil sie die Buchstaben „o“ und „n“ aus unerfindlichen Gründen traditionell weniger gern hatten als „u“ und „m“, hieß unsere Gemeinde fortan, genau, Glanum.

Glanum bekam Tempel, Thermen und Theater, dazu Villen, Markthallen, ein Rathaus, einen Triumphbogen, kurz: das Standardprogramm jeder ordentlichen römischen Stadt. Fünftausend Menschen haben hier gelebt, so schätzen Historiker, das ist nicht so wahnsinnig viel – aber die Stadt hatte immer noch ihre heilige Quelle und lag verkehrsgünstig nahe der Via Domitia, einer Art antiker Autobahn, die den weiten Bogen von Italien durch Südfrankreich bis nach Spanien schlug.

Ein schmucker Ort.

Leider rutschen gegen Ende der Antike, warum auch immer, so unglaublich viele Geröllmassen von den Hängen der Alpilles, das der Ort aufgegeben und unter Stein und Erde begraben wurde. Seit 1921 wird er freigelegt – und eigentlich ist bis jetzt gerade mal ein Zehntel der antiken Stadtfläche zugänglich, aber das ist gewissermaßen die City mit den wichtigsten Bauten.



Wer heute hier ankommt, die Ruinen liegen nur einen Steinwurf von Saint-Rémy entfernt, sieht auf dem von einem Ring Platanen umgebenen Plateau Les Antiques zuerst zwei große Monumente, die niemals verschüttet wurden: einen Triumphbogen (dem allerdings schon lange seine obere Hälfte gekappt wurde), sowie das Juliermonument. Das ist ein beeindruckend hohes Grabmal, das entfernt so aussieht wie eine antike Mondrakete, und ganz oben stehen zwischen steinernen Säulen zwei Astronauten in der Toga.

Glanum selbst ist in ein Tal hineingebaut, das zu den Bergen hin ansteigt und dabei immer schmaler wird. Eine bis zu sieben Meter breite, steingepflasterte und vollkanalisierte Hauptstraße führt wie ein Rückgrat mitten hindurch. Wer hier flaniert, sieht links und rechts mal eine Villa, mal das Forum, mal ein antikes Rathaus, mal einen Tempel und die Thermen natürlich auch. Und, ganz am Ende und reichlich versteckt, schimmert immer noch (eher trüb-grünes) Wasser in der heiligen Quelle.

An der Kasse wird ein kleiner archäologischer Führer verkauft, der sehr schön und übersichtlich ist. Wandert man mit ihm durch Glanum, kann man sich das Leben von vor zwei Jahrtausenden ganz gut vorstellen. Die Steine der Ruinen sind so grau wie die Felsen der Alpilles, im Hintergrund leuchten grün Aleppo-Kiefern auf den Hängen, über die Monumente wölben sich die rot betupften Wipfel der Judasbäume und im Mai sprenkeln Mohnblumen die Mauerkränze. Es duftet nach Blüten, Vögel singen. Und wer an einem Wochentag noch vor zehn Uhr morgens kommt, hat die Antike mit ein wenig Glück sogar ganz für sich allein.

Dann kann man sich nicht nur, vom Büchlein inspiriert, die großen Ruinen ungestört ansehen, sondern sich auch auf die Suche nach den manchmal anrührenden, manchmal lustigen, manchmal rätselhaften Details machen. Zum Beispiel:

Am Triumphbogen steht seit zwei Jahrtausenden eine gefesselte Frau, die in ihrer Trauer den Kopf verhüllt hat.

Das Juliermonument wird von Reliefs verziert, die Schlachtengetümmel zeigen: Legionäre in Rüstungen, halbnackte Barbaren; Pferde, Waffen, Sieger und Besiegte – und irgendwo am Rand steht ein kleingewachsener Mann, der ungerührt von einer Textrolle abliest, als wäre er ein Nachrichtensprecher.

Mitten in Glanum erhob sich einst ein Tempel, in dem eine rätselhafte Priesterin einer rätselhaften Göttin einen kleinen Altar geweiht hat – und auf dem sind, als Schmuck, zwei … Ohren eingemeißelt.




Soweit ich weiß, gibt’s so etwas nicht einmal in Pompeji zu entdecken.


Weitere Informationen zu Glanum gibt es hier: https://www.site-glanum.fr/



Und hier noch ein kleines, aktuelles Video ;-)

https://www.facebook.com/share/v/12HDWR1zPVw/

Freitag, 7. März 2025

Saint-Paul-de-Mausole und Vincent van Gogh

Ein mittelalterliches Kloster, das nach einem antiken Mausoleum benannt ist und vor weit mehr als hundert Jahren in eine psychiatrische Klinik umgewandelt wurde. Eine Klinik, in der der vielleicht berühmteste Maler der Welt vergeblich behandelt wird. Klingt entweder nach dem Plot eines schlechten Romans. Oder das klingt nach Provence.





Saint-Paul-de-Mausole liegt etwas versteckt zwischen dem sehr populären Städtchen Saint-Rémy und dem sehr malerischen Gebirgszug der Alpilles. Eigentlich ist es ein Kloster wie Du & Ich, wie es dutzendfach im Midi herumsteht: Kirche, Kreuzgang, Kräutergarten, alles sehr schön und ruhig.

Uneigentlich ist es aber ein Haus mit etwas komplexerer Geschichte. Im frühen Mittelalter entstand das Priorat. Über die Jahrhunderte gaben sich hier Benediktiner, dann Augustiner und schließlich Franziskaner das Glockenseil in die Hand. Im 19. Jahrhundert allerdings wandelte sich der Ort der Gebete in einen Ort der Therapie: Eine Heilanstalt für psychisch Kranke entstand – die noch heute existiert, wenn auch in moderneren Nebengebäuden. Der berühmteste Patient, den diese Anstalt je hatte, war Vincent van Gogh, der sich hier einweisen ließ, nachdem ihm in Arles ein halbes Ohr abhanden gekommen war.

Eine pinienbeschattete Zufahrt führt heute zu Saint-Pasul-de-Mausole. Zwischen den Stämmen stehen steinerne Bänke, deren wuchtige Formen mich unwillkürlich an Särge erinnern. („Mausole“ – antike Sarkophage, was würden die Ärzte hier zu meiner Assoziation sagen? Vermutlich, dass sie zu banal ist, um interessant zu sein, oh well…) Jedenfalls gelangt der interessierte Besucher irgendwann zu einer Art botanischem Garten, der vor dem ehemaligen Kloster wuchert. An Steinmauern hängen moderne Reproduktionen berühmter van Goghs. Und der Maler himself steht als lebensgroße Bronzestatue am Wegesrand, ein verhärmter Mann mit angewelkten Sonnenblumen in den Händen. Das ist schon kitschig, aber schön ist es doch.





Im eigentlichen Kloster ist die romanische Kirche zugänglich und der ebenfalls romanische Kreuzgang ist es auch. Wer auf van Goghs Spuren wandelt, sieht Küche und Speisesaal, so, wie sie, genau, zu van Goghs Zeiten ausgesehen haben. Man flaniert durch einen wunderbaren Kräutergarten hinter der Kirche, den, genau, van Gogh von seinem Krankenzimmer aus sah. Im Kreuzgang hängen, nein, keine van Goghs, doch Bilder moderner Künstler. Einige sind schön, einige sind witzig und einige sind, darf man das schreiben?, einfach nur schlecht. (Ich nenne ja keine Namen.)

Um van Goghs (rekonstruiertes) Krankenzimmer im ersten Obergeschoss zu erreichen, muss man sich durch den Souvenirladen kämpfen und eine über Jahrhunderte ausgelatschte Steintreppe bezwingen.

Der Maler ließ sich im Mai 1889 selbst hier einweisen, um sich von Doktor Peyron behandeln zu lassen. Trotz mancher heftiger Krisen, die van-Gogh-Literatur ist voll davon, war die Behandlung zumindest in kreativer Hinsicht ein Erfolg: Der gute, alte Vincent hat Saint-Paul-de-Mausole und die Umgebung in zahlreichen Bildern und Zeichnungen festgehalten, und es sind garantiert nicht seine schlechtesten Werke. Im Sommer 1890 verließ van Gogh die Heilanstalt auf eigenen Wunsch wieder, zog nach Auvers bei Paris und brachte sich dort wenige Wochen später um – wäre er doch bloß in der Provence geblieben.





Sein Zimmer wirkt heute sympathisch unrestauriert: Der grün gefärbte Putz des Deckengewölbes ist stumpf und rissig, in der Kammer stehen mehr oder weniger unaufgeräumt Staffelei, Bett, Tisch und Stuhl herum. Über der Stuhllehne hängt ein Herrenhemd, mit Farbe bekleckert, als hätte es der Maler gerade erst ausgezogen. Auch das ist einerseits too much, andererseits doch anrührend. Und der Blick aus dem hohen, schmalen Fenster geht auf den Klostergarten mit seinen Kräutern und Lavendelblüten und die Alpilles dahinter sind ein Gebirge aus blauem Glas. Wunderschön und zugleich unerreichbar – denn wie zur Zeit van Goghs, so zerteilen auch heute eiserne Gitterstäbe Licht und Luft.





Weitere Infos zu Saint-Paul-de-Mausole gibt es hier: https://www.saintpauldemausole.fr/

Montag, 3. Februar 2025

Steve McCurry im Hôtel de Caumont in Aix-en-Provence / Nacht der Ruinen in Köln

Normalerweise holt man ja im Februar langsam die Badehose aus dem Schrank, doch dieses Jahr ist hinterhältig. Jedes Mal, wenn man hofft, so, jetzt ist es so weit, der Frühling kommt, zack!, schon haben wir wieder Nachtfrost oder Regen oder beides. Was hilft? Die Politik? Ganz schlechte Idee. (Soll ja auch in Deutschland nicht hundertprozentig rund laufen, habe ich gehört.) Hemmungsloser Konsum? Nicht gut für die Umwelt und außerdem kann uns der arme Staat kein Geld mehr klauen, wenn wir es ausgeben und das will ja niemand. Fressen? Wir müssen den Gürtel enger schnallen, denn, siehe vorvorigen Satz.

Also Kultur.




Habe ich schon mal den Hôtel de Caumont in Aix-en-Provence erwähnt? Ich glaube nicht und schäme mich deshalb dementsprechend. Also: Das ist ein Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert im historischen Zentrum, versteckt in einer stillen Gasse, aber in Sichtweite des Cours Mirabeau. Den Namen hat das Anwesen von Pauline, Marquise de Caumont, einst vermutlich stolze und einrichtungsverliebte Besitzerin.




Eine Fassade wie ein kleines Schloss, hohe Fenster, ein wenig Schmiedeeisen und ein wunderbar saharagelber Stein. Ein Barockgarten wie mit der Pinzette gezupft. Und drinnen Möbel aus der Epoche: Fragile Tischchen, du denkst, die brechen zusammen, wenn du darauf dein Teetäschen abstellst. Diwans und Sessel mit Plüsch und rotem Samt. Ein Himmelbett, eingehüllt in geschätzt hundert Quadratmeter mit Blütenmuster bedrucktem Stoff. Schwere Tapeten, zahllose goldgerahmte Ölbilder, marmoreingefasste Kamine, Kronleuchter mit einer halben Tonne Gewicht. Kurz: Hier könntest du eine Netflix-Serie drehen.



Stattdessen gibt es in den zwei Geschossen über diesem opulenten Kitsch zwei kleine, feine, großartig kuratierte und überhaupt schöne Ausstellungen pro Jahr. Hier durften wir schon Nicolas de Staël und Alfons Mucha sehen, Pierre Bonnard und Katsushika Hokusai.



Jetzt ehren sie, ich glaube zum ersten Mal, einen Fotografen: Steve McCurry.

Ein amerikanischer Fotoreporter, dessen Bilder wir auch schon bei GEO gedruckt haben – das ist der geniale Kerl, der das madonnenhaft schöne afghanische Mädchen mit den unfassbaren Augen porträtiert hat. Überhaupt, Augen… Er hat Dutzende Frauen, Männer, Kinder porträtiert und in wirklich jedem Augenpaar verbirgt sich ein ganzer Lebensroman.



Steve McCurry hat längst nicht nur, aber doch sehr oft im Mittleren und Fernen Osten gearbeitet und immer kam er mit Bildern zurück, die nicht einfach besser sind als die Wellen der optischen Flut, die sonst so an uns vorbeirauscht. (Und zu denen selbstverständlich auch meine Fotos gehören, hier und anderswo, klar.) Nein, Steve ist nicht einfach besser, er spielt in einer ganz anderen Liga.

Und das ist das schöne am Hôtel de Caumont und allen seinen Ausstellungen: Die Werke hängen hier in wenigen Sälen, dazu liest man informative Texte, es gibt ein, zwei erklärende Filme – und fertig. Kein Overkill, kein schlechtes Gewissen. („Die Sachen in diesem Saal müsste ich jetzt eigentlich auch noch sehen, aber meine Füße schmerzen doch schon so sehr und mein Gehirn raucht – oder war es umgekehrt?“) Du kannst dich als Besucher auf die Bilder konzentrieren. Auf jedes einzelne. Entschleunigung. Konzentration, Zen.

Danach kann man übrigens im Museumscafé Museumskaffee trinken oder richtig gut speisen, ganz im Stil des achtzehnten Jahrhunderts und bei gutem Wetter im schönen kleinen Park des Palais.

Falls das Wetter denn mal wieder schön wird.


Die Ausstellung „Steve McCurry – Regards“ ist noch bis zum 23. März 2025 geöffnet. Ich empfehle, die Karten vorab per Internet zu reservieren – oder um kurz vor zehn Uhr morgens, wenn das Haus öffnet, an der Kasse aufzukreuzen. Dann muss man oft auch nicht lange warten.

Weitere Infos gibt es hier:

https://www.caumont-centredart.com/fr/steve-mccurry-regards


Und da wir gerade über schöne Museen reden: Ich habe die Ehre und das Vergnügen, am 12. Februar meinen nächsten Roman „Nacht der Ruinen“ im neuen Kölnischen Stadtmuseum vorzustellen. Dazu mehr:

https://www.koelnisches-stadtmuseum.de/newsticker-1/





Mittwoch, 15. Januar 2025

Großes Kleinstadt-Kino in der Provence

Neues Jahr, altes Kino, und das ist gut so. Meine Frau und ich sind treue Fans des septième art, der „Siebten Kunst“, wie le cinéma hier gerne genannt wird. Mitten in Salon-de-Provence lädt ein modernes Kino mit mehreren Sälen und herrlich lümmelfreundlichem Gestühl zum Konsum von reichlich Hollywood und reichlich neuen französischen Filmen ein. In einer Gewerbesteppe nahe von Marseille dröhnt dich ein Multiplex mit IMAX und Was-hast-Du-nicht-alles-gesehen-und-gehört mit jenen Blockbustern zu, die ungefähr so lang dauern wie ein Interkontinentalflug. (Da ist es nur gerecht, dass auch die Eintrittskarte inzwischen ungefähr so viel kostet wie das Ticket eines Interkontinentalflugs.)

Es geht aber auch anders.






Bei uns im Städtchen um die Ecke steht ein Multifunktionssaal neben der Grundschule, in dem zum Beispiel auch lokale Tanzgruppen auftreten oder der Bürgermeister seine Neujahrsrede hält. Aber hier werkeln, eben, stets auch einige Freiwillige, Enthusiasten, Filmliebhaber und andere Wahnsinnige an einem Kinoprogramm mit ein bis zwei Filmen pro Abend, fast immer an sieben Tage in der Woche. Das ist so wie Kommunales Kino in Kölns Dunstkreis im letzten Jahrtausend, als ich noch Oberstufenschüler war. Echt nostalgisch.



Die Stühle sind mit inzwischen zerschlissenem, bordellroten Stoff bezogen, aber richtig bequem, selbst für meine hundertvierundneunzig Zentimeter. Bild und Ton sind gut, und da es nur diesen einen Saal gibt, lenken auch keine störenden Geräusche aus Nebenräumen ab.

Hier zeigen sie neue und alte französische Produktionen rauf und runter – meine Liebste und ich begannen 2025 zum Beispiel am 3. Jänner mit Saint-Ex. Dazu kommen Filme aus MAGA sowie aus Ländern, da musst du erst einmal googeln, wo die auf dem Globus zu finden sind. Viele ausländische Streifen laufen im Original. Ich habe hier schon ein flämisches Siebziger-Jahre-Liebes-und-NS-Drama mit dem jungen Rutger Hauer genossen. (Cinephile werden es kennen, hier noch ein Tipp: Hund und Wolf kommen im Titel vor, aber, soweit ich mich erinnere, nirgendwo im Film.) Gerne denke ich auch an einen dänischen Polizeifilm zurück, in dem es wahnsinnig auf Dialoge oder, genauer genommen, Monologe ankommt. Nach zwei Stunden konnte ich mitten im Midi einen Abend lang beinahe fließend Dänisch parlieren. Super.

Manche aktuellen Werke kommen ein, zwei, drei Wochen nach ihrem Frankreichstart ins provenzalische Cinema Paradiso, andere bereits direkt in der ersten Woche. Die Wege des Filmvertriebs sind unergründlich.

Wer guckt so was?

Kleinstadt-Großerfolge wie eben Saint-Ex locken so circa dreißig Leute an. Den vermutlich heftigsten Ansturm erlebten wir bei Bohemian Rhapsody, da waren wir vielleicht hundert. Dänische Original-Thriller oder französische Problemfilme, bei denen du von der ersten Einstellung an schon weißt, wie sie ablaufen werden, locken eher einstellige Besucherrinnsale an. Meine Liebste und ich saßen auch schon mal ganz alleine im Kino. Ich weiß nicht mehr, bei welchem Film, was vermutlich der Grund dafür ist, dass niemand sonst den sehen wollte.

Warum also gehen wir immer wieder dorthin?

Weil ich die Wahnsinnigen küssen könnte, die Jahr um Jahr dieses Programm zusammenstellen und auch nur für zwei Leutchen einen Film zeigen.

Weil keine bescheuerte Werbung vor dem Film läuft.

Weil sie selbst für Hollywoodfilme nur vier Euro Eintritt verlangen.

Weil sich ein leicht altes, leicht schräges Kino anders anfühlt als Netflix.

Weil das Kunst ist – die siebte, und an manchen Abenden eben auch die erste und einzige.