Dienstag, 16. Februar 2021

Mimose blüht, der Frühling kommt (zu früh)

 Die Mimose ist das sprichwörtliche Weichei unter den Pflanzen, aber der Ruf der Hypersensibilität ist vollkommen unfair. Bei uns steht seit wenigen Jahren jedenfalls eine, die nicht wächst, sondern wuchert – und das, obwohl sie mehr oder weniger ungeschützt vom Mistral umtost wird. Im Winter haben wir Nachtfrost, manchmal kübelt es vom Himmel. Im Sommer brennt die Sonne, gerne ist es mehr als vierzig Grad heiß, und es regnet so selten, wie Trump die Wahrheit sagt. Eh bien, je m'en fiche, dem Baum ist das auch total egal, Du kannst ihm beim Größerwerden zusehen, ist wie bei den Kindern.




Dieses Jahr allerdings, und obwohl wir für provenzalische Verhältnisse einen harten Winter hatten, blüht dieses Teil seit, ungelogen, Mitte Januar vor sich hin. Januar! Vom Hügel gegenüber sieht es aus, als wäre ein riesiger Farbklecks aus dem Himmel vor das Haus geklatscht.

Das ist nur der spektakulärste Frühstarter am Ort. Auf der Wiese leuchten eine Millionen Gänseblümchen. (Oui, in der Provence wächst nicht nur Lavendel, es geht auch zu wie bei Müllers hinter der Terrasse: Gänseblümchen, Löwenzahn, haben wir alles.) Schräg unter den Zypressen stecken wilde Veilchen vorsichtig die violetten Köpfe aus dem Sand. Und im Wald hinter der alten Ölmühle blüht bereits der Rosmarin.



Klimawandel? Tja, what else, Baby? Irgendwie drängt sich alles immer früher ins Freie. Die Kirschen sind gefühlt schon im April reif, der Wein wird im August gelesen, im Oktober fallen einem die Oliven in die Hände. Alles einen Monat früher, als es im Baedeker geschrieben steht.

Die dazugehörenden Insekten schwirren auch schon rum, Fliegen, Marienkäfer; sobald ein bisschen Sonne scheint, tanzen die Mücken über dem Bach. Und heute morgen bin ich beim Joggen mit der Stirn ins erste quer durch die Zweige gespannte Spinnennetz gelaufen. (D'accord, ich weiß: Spinnen sind keine Insekten, aber Ihr wisst, was ich meine.)

Apropos Insekten: Den Luftraum über der Provence durchkreuzen inzwischen asiatische Hornissen, irgendwelche ebenfalls ursprünglich in Covidistan beheimatete und eklig stinkende Wanzen, sowie Tigermücken, die Tropenkrankheiten übertragen können.

Im Meer, sagen Biologen und Taucher, schwimmen seit einigen Jahren Fische und anderes Getier aus den Tropen. Manches ist im Ballastwasser der Schiffe gereist. Andere Wesen sind einfach durch den Suezkanal gepaddelt, weil das Mittelmeer jetzt so hot ist, wie das Rote Meer vor der Klimakrise mal war.




Ob ich das alles gut finden soll? Ich meine, hey, ich mag es, wenn im Januar ein Baum blüht! Und doch: Irgendwie beunruhigt mich es auch. Noch ein paar Jahre, und ich jogge hier an Zebras und Hyänen vorbei...

2 Kommentare:

  1. Herrlich! Nachdem hier fast aller Schnee ruckzuck wieder weggetaut und dem Einheitsgrau von oben und unten gewichen ist, träume ich mich nach Ihrem schönen Bericht in die Provence ..

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