Dienstag, 2. Juli 2024

Sommer in Eyguières / Mystery Magazine July 2024

Gibt es in diesen Tagen auch gute Nachrichten aus Frankreich? (Die schlechten Nachrichten muss ich nicht extra aufführen, die kann sich jedefrau und jedermann in drei Sekunden ergooglen.) Lieber was mit Sommer, Sonne, Sympathie, d’accord?





D’accord. Neulich wollte ich ganz um die Ecke von hier etwas recherchieren, in den Alpilles westlich von Eyguières. Zwischen dem Mont Menu und den Gipfeln von Les Opies hat sich etliche Milliönchen von Jahren die Durance durch die Berge gefräst. Vor etwa 800 000 Jahren hatte sie keinen Bock mehr und sich stattdessen weiter nördlich in die Rhône ergossen. Das Vallon des Glauges ist dabei zurückgeblieben, ein Tal wie eine Bresche durch die Alpilles, fruchtbarer Boden, und wenn du auch nur ein wenig im Erdreich wühlst, förderst du noch immer rundgeschliffene Flusskiesel zu Tage.

Hier wandert man durch eine Art Miniatur-Bilderbuch-Provence. Im Hintergrund leuchten blassblau und hellgrau die Felsenklippen der Alpilles mit ihrem grünschwarzen Flickenteppich aus Garrigue und mediterranen Eichen. Wer von Süden kommt, flaniert zunächst durch Olivenhaine. Es gedeihen Olivenbäume und Zypressen in trauter Eintracht, die hätte van Gogh sicher gerne gemalt.




Okay, die Agave rechts unten hätte der Meister nicht gemalt, die gab es zu seiner Zeit noch nicht. Das ist eine invasive Art in der Provence, so eine Art Pest mit stachelig-spitzen Blättern, gedeiht wie Unkraut, aber, hey, ich darf nicht meckern, bin ja schließlich selber eine invasive Art.

In manchen Hainen breiten die Bäume ihre übervollen Wipfel über den sandigen Boden.





Hundert Meter weiter sind ihre Kumpels aber wirklich, wirklich arg beschnitten worden:





(Keine Panik, das wird wieder. Die treiben neu aus, und nächstes Jahr kann man schon wieder richtig viele Oliven ernten.)

Oliven sind nicht so Ihr Ding? Macht nichts, einfach weitergehen – und schon steht man im Wein, beziehungsweise zwischen Reben, die Trauben tragen, aus denen im Herbst der nächste Jahrgang Rosé gekeltert wird, und Roten und Weißen gibt es in den umliegenden Weingütern auch. In diesem alles in allem (für unsere Verhältnisse) recht feuchten Frühsommer stehen die älteren Reben in Saft und Kraft und wunderbaren kräftiggrünen Blättern. Die Reihen der jüngst gepflanzten Stöcke stehen noch ein bisschen bescheidener in der Sonne herum.





Und nach noch einmal zehn Minuten Fußmarsch mehr tritt man dort, wo sich das Tal beim Weiler Saint-Pierre-de-Vence (ungefähr zweieinhalb Bauernhäuser) nach Norden hin öffnet, in eine antike Villa. Eh bien, zumindest stolpert man über die Grundmauern einer spätrömischen Villa, die immerhin noch erahnen lassen, wie groß dieser Gutshof aus dem 4. nachchristlichen Jahrhundert einst gewesen ist.





Die Ruinen stehen am Ende eines Feldwegs, inmitten von Reben – und also auf privatem Grund. Doch der Besitzer, gepriesen sei sein Name, hat die Relikte eben nicht untergepflügt, um noch einige Weinstöcke mehr zu pflanzen, sondern die Anlage bewahrt, einfach so. Kein Eintritt, kein Zaun, eine leicht angerostete Schautafel mit den notwendigsten Erklärungen, und ansonsten darfst du hier herumgehen, wie es dir gefällt, oder so ungefähr, wie es dir gefällt: Bitte nicht auf die Mauerreste steigen, das könnte sie beschädigen!

Alors, Alpilles, Oliven, Zypressen, Wein, Ruinen, und das auf einem einzigen lockeren Spaziergang. Nicht schlecht, oder? Das Beste zum Schluss: Ich habe das vor wenigen Tagen gemacht, schon Sommer, Hauptsaison – und doch habe ich keinen zweiten Wanderer gesehen. Ich hatte das alles für mich alleine, kein Massentourismus, keine Konservenmusik, nix, nada. Und wenn man geduldig genug in den makellosen Himmel sieht und wahnsinnig viel Glück hat, hatte ich diesmal nicht, aber okay, falls doch, dann entdeckt man vielleicht sogar über den Gipfeln der Alpilles die schwarzen Silhouetten großer Vögel, die im Aufwind kreisen. Das könnte einer der seltenen Adler der Alpilles sein, oder sogar einer der genauso seltenen Geier, die hier leben.

Es gibt sie also noch, die guten Nachrichten aus Frankreich. In diesem Sinne: Schönen Sommer, Vive la France, Vive la République!





P.S.: Something which might interest our friends in Canda, the USA or UK: This story is no Roger Blanc, though, surprise, it is a "histoire noire" in Southern France. But, hey, English is the language of short stories, I always wanted to try my hand in it... Thank you Kerry and your team for publishing "The Black Scarf"! Mystery Magazine is available on Amazon, either for Kindle or as a PoD:


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