Freitag, 7. März 2025

Saint-Paul-de-Mausole und Vincent van Gogh

Ein mittelalterliches Kloster, das nach einem antiken Mausoleum benannt ist und vor weit mehr als hundert Jahren in eine psychiatrische Klinik umgewandelt wurde. Eine Klinik, in der der vielleicht berühmteste Maler der Welt vergeblich behandelt wird. Klingt entweder nach dem Plot eines schlechten Romans. Oder das klingt nach Provence.





Saint-Paul-de-Mausole liegt etwas versteckt zwischen dem sehr populären Städtchen Saint-Rémy und dem sehr malerischen Gebirgszug der Alpilles. Eigentlich ist es ein Kloster wie Du & Ich, wie es dutzendfach im Midi herumsteht: Kirche, Kreuzgang, Kräutergarten, alles sehr schön und ruhig.

Uneigentlich ist es aber ein Haus mit etwas komplexerer Geschichte. Im frühen Mittelalter entstand das Priorat. Über die Jahrhunderte gaben sich hier Benediktiner, dann Augustiner und schließlich Franziskaner das Glockenseil in die Hand. Im 19. Jahrhundert allerdings wandelte sich der Ort der Gebete in einen Ort der Therapie: Eine Heilanstalt für psychisch Kranke entstand – die noch heute existiert, wenn auch in moderneren Nebengebäuden. Der berühmteste Patient, den diese Anstalt je hatte, war Vincent van Gogh, der sich hier einweisen ließ, nachdem ihm in Arles ein halbes Ohr abhanden gekommen war.

Eine pinienbeschattete Zufahrt führt heute zu Saint-Pasul-de-Mausole. Zwischen den Stämmen stehen steinerne Bänke, deren wuchtige Formen mich unwillkürlich an Särge erinnern. („Mausole“ – antike Sarkophage, was würden die Ärzte hier zu meiner Assoziation sagen? Vermutlich, dass sie zu banal ist, um interessant zu sein, oh well…) Jedenfalls gelangt der interessierte Besucher irgendwann zu einer Art botanischem Garten, der vor dem ehemaligen Kloster wuchert. An Steinmauern hängen moderne Reproduktionen berühmter van Goghs. Und der Maler himself steht als lebensgroße Bronzestatue am Wegesrand, ein verhärmter Mann mit angewelkten Sonnenblumen in den Händen. Das ist schon kitschig, aber schön ist es doch.





Im eigentlichen Kloster ist die romanische Kirche zugänglich und der ebenfalls romanische Kreuzgang ist es auch. Wer auf van Goghs Spuren wandelt, sieht Küche und Speisesaal, so, wie sie, genau, zu van Goghs Zeiten ausgesehen haben. Man flaniert durch einen wunderbaren Kräutergarten hinter der Kirche, den, genau, van Gogh von seinem Krankenzimmer aus sah. Im Kreuzgang hängen, nein, keine van Goghs, doch Bilder moderner Künstler. Einige sind schön, einige sind witzig und einige sind, darf man das schreiben?, einfach nur schlecht. (Ich nenne ja keine Namen.)

Um van Goghs (rekonstruiertes) Krankenzimmer im ersten Obergeschoss zu erreichen, muss man sich durch den Souvenirladen kämpfen und eine über Jahrhunderte ausgelatschte Steintreppe bezwingen.

Der Maler ließ sich im Mai 1889 selbst hier einweisen, um sich von Doktor Peyron behandeln zu lassen. Trotz mancher heftiger Krisen, die van-Gogh-Literatur ist voll davon, war die Behandlung zumindest in kreativer Hinsicht ein Erfolg: Der gute, alte Vincent hat Saint-Paul-de-Mausole und die Umgebung in zahlreichen Bildern und Zeichnungen festgehalten, und es sind garantiert nicht seine schlechtesten Werke. Im Sommer 1890 verließ van Gogh die Heilanstalt auf eigenen Wunsch wieder, zog nach Auvers bei Paris und brachte sich dort wenige Wochen später um – wäre er doch bloß in der Provence geblieben.





Sein Zimmer wirkt heute sympathisch unrestauriert: Der grün gefärbte Putz des Deckengewölbes ist stumpf und rissig, in der Kammer stehen mehr oder weniger unaufgeräumt Staffelei, Bett, Tisch und Stuhl herum. Über der Stuhllehne hängt ein Herrenhemd, mit Farbe bekleckert, als hätte es der Maler gerade erst ausgezogen. Auch das ist einerseits too much, andererseits doch anrührend. Und der Blick aus dem hohen, schmalen Fenster geht auf den Klostergarten mit seinen Kräutern und Lavendelblüten und die Alpilles dahinter sind ein Gebirge aus blauem Glas. Wunderschön und zugleich unerreichbar – denn wie zur Zeit van Goghs, so zerteilen auch heute eiserne Gitterstäbe Licht und Luft.





Weitere Infos zu Saint-Paul-de-Mausole gibt es hier: https://www.saintpauldemausole.fr/