Freitag, 4. Oktober 2024

Regen, la rentrée und wie toll es ist, keine Regierung zu haben





Es ist Oktober, Zeit auf den Herbst zu blicken. (Das ist ja jetzt mal ein origineller Einstieg.) Die Provence – zumindest meine Ecke der Provence – sieht ganz anders aus als in anderen Jahren.


Nämlich grüner.

Normalerweise ist der September quasi der schönste Sommermonat: Sonnig, doch eher 28 als 38 Grad, und die Nächte sind bereits schön lang und so kühl, dass man gut durchschlafen kann. Im Oktober geht der Sommer in die Nachspielzeit, manchmal liege ich noch zur Monatsmitte oben ohne in der Sonne und unten mit im warmen, milden Meereswasser in irgendeiner Calanque.

2024 hat es hingegen geregnet, nicht immer, aber immer mal wieder. Ich will mich nicht beklagen, schließlich passiert anderswo in der Welt Schlimmeres, und damit meine ich nicht nur Starkregen. In der guten alten Vordioxidzeit war es so, dass es im Midi bis April mal tröpfelte, dann war Ruhe in der Wolke. Erst zu Mariä Himmelfahrt (Atheisten schlagen das Datum bitte im Google-Kalender nach) drohten die ersten Hitzegewitter. Und im September und Oktober tröpfelte es dann wieder vor sich hin, wenn überhaupt, siehe oben.



Dieses Jahr war in Frankreich und ja, auch in Südfrankreich, der feuchteste September seit Beginn der Regenaufzeichnungen, und auch in den Monaten davor gab’s ständig was auf die Mütze.

Das ist nicht ganz schlecht.



Der in den vielen trockenen Jahren davor bedrohlich gesunkene Grundwasserstand ist endlich wieder auf dem normalen Level (das vielleicht gar nicht länger normal, sondern eben jetzt die Ausnahme ist). Flüsse, Bäche, Seen sind schön voll. Ob sich alle Bauern freuen, weiß ich nicht, manche hätten zumindest zur Erntezeit von Obst und Gemüse ein paar Wolkenbrüche weniger begrüßt. Aber, siehe oben, immerhin blieb diesmal alles schön grün hier.

Und das bedeutet nämlich auch: So gut wie keine Brände. Kein Buschfeuer in der Garrigue, kein flammendes Inferno, nur weil mal wieder ein Vollpfosten ne Kippe aus dem Autofenster schnippt. Um mich herum haben einige Leute gemault (also schön: ich maulte manchmal ebenfalls), doch in gewisser Hinsicht war dieses Jahr bislang eine Art Erholungspause für die Natur.

In anderer Hinsicht für uns übrigens auch: Wir hatten keine funktionierende Regierung. Hey, keine neuen Gesetze, keine neuen Verordnungen, und ich bin fest davon überzeugt, dass die Olympischen Spiele (mehr dazu: https://provencebriefe.blogspot.com/2024/07/olympia-in-marseille-segeln-und-fuball.html) vor allem deshalb grandios und pannenfrei über die gigantische Bühne gingen, weil wir, genau, nur machtlose Regierungsstellvertreter in Paris hatten.

Jetzt ist la rentrée, Schule, Uni, Arbeit, alles hat nach dem Sommermärchen wieder begonnen. Und wir haben auch wieder eine Regierung und die kündigt bereits Schreckliches an, und im Alltag kämpft man schon wieder mit den windradgroßen Windmühlen der amoklaufenden Bürokratie… Manchmal ist es besser, keine Regierungen zu haben, als die, die uns drohen.



Also: Wenn es auch in den nächsten Jahren ein bisschen mehr Regen und ein bisschen mehr Anarchie gäbe, ich könnte mich daran gewöhnen.